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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Sie hält inne im Packen, einen Badeanzug in der Hand, wendet sie sich um, sieht die lauschende Gestalt, sagt bittend: »Gnädige Frau –!«
    »Wolfgang –?!« ruft die aus dem Fenster. Zweifelnd erst, dann sicher. »Wolfgang! Ja, warte, Junge! Ich komme schon! Ich schließe dir gleich auf!«
    Und sie fährt herum, ihr Gesicht ist gerötet, die Augen unter den weißen Haaren leuchten und flammen wie eh und je.
    »Los doch, Minna! Die Schlüssel! Der junge Herr wartet unten! Lauf!«
    Und ohne auf Minnas beschwörende Worte zu achten, läuft sie ihr voraus auf den dunklen Flur. Sie schaltet das Licht ein, greift aufs Geratewohl irgendwelche Schlüssel vom Brett neben der Spiegelkonsole und rennt, gefolgt von Minna, die Treppe hinunter.
    An der Haustür probiert sie. Die Schlüssel wollen nicht passen. Fieberhaft ruft sie: »Rasch doch, Minna! Nur schnell – vielleicht überlegt er es sich wieder – er war immer schwach!«
    Die stumm gewordene Minna drückt auf die Klinke, die Haustür, die nicht abgeschlossen war, öffnet sich. Frau Pagel läuft durch den schmalen Vorgarten, sie stößt das Eisentürchen zur Straße auf. »Wolfgang! Junge! Wo bist du denn?!«
    Der einsame Nachtwanderer, ein Sonderling, der statt nach Bars und Betrieb sich nach frischer Luft und dem Geruch von grünem Gewächs gesehnt hat, fährt überrascht zusammen. Er sieht eine alte, weißhaarige, sehr erregte Dame vor sich im Flackerschein der einsamen Gaslaterne, dahinter ein ältliches Mädchen, einen Badeanzug in der Hand. Er fragt töricht: »Wie bitte?!«
    Die alte Dame macht so plötzlich halt und kehrt, daß sie fast gefallen wäre. Das ältliche Mädchen mit dem Badeanzug wirft ihm einen ärgerlichen Blick zu und geht hinterdrein. Jetzt faßt sie die alte Dame unter den Arm, gemeinsam verschwinden die beiden in dem nahen Haus.
    Schließen nicht ab, stellt der einsame Spaziergänger bei sich fest. Verdrehte Hühner, einen so zu erschrecken!
    Er sucht sich eine noch stillere Straße für seine Erfrischung.
    Die beiden alten Frauen steigen langsam, ohne ein Wort, die Treppen hinauf. Minna fühlt, daß die Hand der gnädigen Frau auf ihrem Arm wie im Krampfe zittert. Sie merkt, wie schwer der Gnädigen das Treppensteigen wird. Die Etagentür steht offen, der Vorplatz ist hell erleuchtet. Sie gehen in die Wohnung, Minna macht die Tür zu. Sie ist nicht ganz sicher, wohin die gnädige Frau gehen möchte, ob in das Zimmer des jungen Herrn oder in ihr eigenes Zimmer. Besser wäre es, wenn die Gnädige sich nach all den Aufregungen hinlegte. Aber Minna, die sture, dickköpfige Minna, hat in ihrem Leben eines gelernt, was die meisten Frauen nie lernen, nämlich, daß Reden seine Zeit hat und Schweigen seine Zeit. Jetzt ist die Zeit des Schweigens.
    Sie geht sachte mit der gnädigen Frau den Flur entlang, und ein leises Ziehen am Arm verrät ihr, daß die Gnädige wieder in das Zimmer des jungen Herrn möchte. Als die beiden eintreten, steht vor ihnen der Schrankkoffer, weit aufgesperrt. Eine Lade ist herausgezogen, obenauf in ihr liegt der blauweiß gestreifte Bademantel des jungen Herrn.
    Frau Pagel bleibt bei diesem Anblick stehen. Sie räuspert sich und sagt dann trocken: »Nimm den Bademantel raus, Minna!«
    Minna tut es, sie legt den Bademantel auf das Sofa.
    »Nimm alles raus!« sagt Frau Pagel noch böser. »Du mußt noch mal mit Packen anfangen, Minna. Ich kann den Schrankkoffer keinesfalls entbehren.«
    Wortlos macht Minna sich an das Auspacken. Die gnädige Frau steht dabei, mit einem strengen, harten Gesicht. Sie beaufsichtigt Minna. Vielleicht wartet sie sehnsüchtig auf einen zögernden Griff, auf die geringste Andeutung von Stellungnahme. Aber Minnas hölzernes Gesicht bleibt ausdruckslos, ihre Griffe nach Wäsche und Kleidern sind nicht zu rasch und nicht zu langsam.
    Plötzlich dreht sich Frau Pagel um.
    Sie möchte noch rasch durch die Tür in ihr dunkles Zimmer flüchten. Aber sie kommt nicht mehr so weit. Die stürzenden Tränen verschleiern ihr den Blick, haltlos weinend lehnt sie im Türrahmen.
    »Ach, Minna, Minna«, flüstert sie schluchzend. »Soll ich denn nun auch ihn verlieren, das letzte, was ich noch liebe –?«
    Aber das alte Mädchen, das ein ganzes Leben lang, in der Küche, in der Dienstbotenkammer, nur für die gnädige Frau gedacht und gearbeitet hat, das immer geholt und das immer wieder weggeschickt worden ist, ganz wie ihrer Herrin zumute war, und das auch in dieser Stunde wieder vergessen ist – aber das

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