Wolf unter Wölfen
haben ja ein Vermögen!«
Nein, der Rittmeister geniert sich nicht mehr zu schreien in diesem Raum, aber Pagel lächelt nur taub.
Er ist hier, und er ist sehr weit fort. Er möchte, daß dies immer weiterginge, zeitlos durch Ewigkeiten – darum leben wir! Die Welle des Glücks trägt uns, wir schwimmen befreit!
Unaussprechliche Wollust des Daseins – so muß ein Baum fühlen, der nach Tagen zerrenden, quälenden Saftanstiegs in einer Stunde alle seine Blüten entfaltet! Was ist noch der Croupier –?! Was ist Geld –?! Was ist selbst Spiel –?! Rolle weiter, kleine Kugel, rolle, rolle – habe ich gedacht, so schepperten die Knochen der Toten?
Trommeln und Trompeten! Rot? Natürlich Rot, und noch einmal Rot. Und wiederum Rot. Aber nun nehmen wir Schwarz – sonst schmeckt das Leben nicht – ohne ein wenig Schwarz dazwischen schmeckt das Leben nicht. Noch mehr Banknoten – wo soll ich sie denn alle lassen? Ich hätte einen Koffer mitbringen müssen – aber wer kann denn so etwas vorher wissen –?
Was will denn Studmann schon wieder? Was schreit er? Polizei –? Was soll Polizei – wozu braucht er Polizei –? Was rennen alle –? Halt, laßt die Kugel auslaufen – ich gewinne noch einmal, ich gewinne wieder, immer wieder! Ich bin der ewige Gewinner …
Da sind schon die Polizisten! Nun stehen die Spieler alle so stumm, wie ihre eigenen Gespenster. Was will der komische Mann mit dem steifen Hut? Er sagt etwas zu mir. Alles Spielgeld ist beschlagnahmt, alles Geld? Aber natürlich ist alles Spielgeld – Geld zum Spielen, sonst hätte es ja keinen Sinn – zu was denn sonst?!
Wir sollen uns fertigmachen und mitkommen? Natürlich kommen wir mit; wenn doch nicht mehr gespielt wird, können wir ebensogut mitkommen. Warum streitet sich der Rittmeister mit dem Blauen? Das hat doch keinen Sinn! Wenn man nicht spielen kann, ist alles egal!
»Kommen Sie, Herr Rittmeister, seien Sie friedlich. Sehen Sie, Studmann kommt auch mit, und er hat nicht einmal gespielt. Also los!«
Wie sterbensbleich der Croupier aussieht! Ja, für ihn ist es schlimm. Er war im Verlust – ich aber, ich habe gewonnen wie nie in meinem Leben! Es war über die Maßen herrlich! Gute Nacht!
Endlich kann ich ruhig schlafen, ich habe erreicht, was ich ersehnt habe, meinethalben für immer schlafen. – Gute Nacht!
10
In einem kleinen Sitzungszimmer des Polizeipräsidiums Alexanderplatz brannte eine jämmerliche, funzlige Glühbirne. Sie warf ihren rötlichen Schein auf die verdrossen hingelümmelten, betreten schweigenden, schlafenden oder eifrig schwatzenden Gestalten der im Spielklub Sistierten. Nur der Spielhalter und seine beiden Assistenten waren gesondert abgeführt worden – sonst hatte man sie alle, wie sie vom Transportauto der Polizei gestiegen waren, in dieses Zimmer getrieben, die Türen waren von außen abgeschlossen worden, um Bewachung zu ersparen – fertig! Nun wartet, bis ihr an die Reihe kommt!
Von Zeit zu Zeit, in langen Abständen, öffnete sich dieTür zu einem Nebenzimmer, ein übermüdet aussehender, gelblicher, faltiger Schreiber winkte dem zunächst Stehenden mit dem Finger – er verschwand und kam nicht wieder. Dann, nach endloser Zeit, wurde der nächste herangewinkt.
Es war Hochbetrieb auf dem Präsidium, es fehlte an Beamten, an Polizisten. Die Ermordung des Oberwachtmeisters Leo Gubalke hatte den Anlaß zu einer Reihe von Razzien gegeben, an Zielen für diese Razzien fehlte es leider gar nicht: Ringvereine waren ausgehoben worden; Hehlernester visitiert; Nachtklubs besucht; Nackttanzlokale durchgekämmt worden; Absteigequartiere, Stundenhotels hatte man überprüft; die Wartesäle der Bahnhöfe, die Obdachlosenasyle revidiert …
Ununterbrochen hörte man vom Platz her das erregende, nervöse Trillern der Streifenwagen, die ausfuhren oder mit neuen Scharen von Sistierten heimkehrten. Man stopfte alle Zimmer, alle Säle voll – erschöpfte Sekretäre, halb schlafende Schreiber, grau aussehende Stenotypisten schoben immer neue Bogen in die Schreibmaschinen, falzten gelbliches Aktenpapier, vernahmen mit heiserer Stimme so leise, daß sie kaum noch zu verstehen waren.
Schlägerei
Unzucht
Widernatürliche Unzucht
Leichter Diebstahl
Taschendiebstahl
Einbruchdiebstahl
Leichenfledderei
Bettelei
Straßenraub
Verbotenes Führen von Waffen
Falschspiel
Verbotenes Glücksspiel
Hehlerei
Verbreitung von Falschgeld
Rauschmittelhandel
Kuppelei, leichte wie schwere
Erpressung
Zuhälterei
… eine
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