Wolf unter Wölfen
Alter einen Fuffziger wie mich bitten sollen! Na, ist ja gemacht, is ja gut, schäm dich man bloß nicht. Ich paß auch auf die Wachtmeister auf, da sind nämlich zwei Unverheiratete zwischen. Sie geben mir dann einen Wink, welches Ihre ist. Ich werde das Essen wohl meistens selber holen …«
»Kohldampf!!! Kohldampf!!!«
»Ja, es wird Zeit. Sagen Sie mir noch schnell, was mit Ihrem Chef los ist. Es macht dir doch nichts, wenn ich manchmal du sage? Es ist nur aus guter Meinung. Ich tu’s natürlich nicht, wenn die andern dabei sind.«
»Danke, Herr Oberwachtmeister, ehrt mich ja nur! Und mit dem Chef – aber Sie müssen mir versprechen, daß Sie unter allen Umständen dichthalten …«
»Ich –? Ich red doch nicht. Ich bin doch Beamter – von mir erfährt nicht mal der Staatsanwalt was.«
»Also schön – ganz unter uns: Der Chef war verschüttet. Den haben sie für tot aus dem Unterstand rausgezogen. Seitdem …«
»So sieht er auch aus! Marke: aufgewärmte Leiche!«
»Seitdem hat er nur ›verschüttet‹ auf der Rechnung. Zu allem andern sagt er Keuchhusten!«
»Also: Er spinnt, dein Chef! Schön, hab man keine Angst, ich reiß dich nicht rein …«
»Guten Tag, die Herren«, sagte Herr von Studmann. »Na, alles in Ordnung? Zufrieden, Herr Oberwachtmeister? Haus dicht genug gemacht? Ich glaub, da reißt Ihnen kein Bengel aus. – Entschuldigen Sie, mein Name ist von Studmann, ich bin hier so eine Art kaufmännischer Leiter. Wenn Sie was brauchen, ganz egal, was, wenn’s nicht klappt mit dem Essen, wenden Sie sich immer vertrauensvoll an mich – dem Rittmeister kommen Sie besser mit solchen Sachen nicht …«
Der Oberwachtmeister warf einen Blick tiefsten Verständnisses auf den jungen Pagel. »Jawohl, Herr, wenn ich vielleicht um eine Tischdecke und einen Aschenbecher bitten dürfte?«
»Sollen Sie alles haben«, sagte Herr von Studmann freundlich. »Sie sollen sich hier wohl fühlen. – Pagel, gehen Sie essen, es steht schon auf dem Tisch. Ich werde mit Herrn Oberwachtmeister Essen fassen.«
Pagel warf einen Blick tiefsten Schmerzes auf den Oberwachtmeister, der ihm beruhigend zunickte, sagte: »Jawohl, Herr von Studmann« und entschwand.
»Kollege Siemens!« rief der Oberwachtmeister mit Krähstimme in den Flur. »Lassen Sie vier Mann zum Essenholen antreten. Suchen Sie alte Leute aus, verheiratete, es sollen hübsche junge Mädchen in der Küche sein.«
Ein Gesumme, Gelächter, Gejohle erhob sich in der Kaserne.
»Wer hat Ihnen denn das erzählt von den hübschen jungen Mädchen?« fragte von Studmann verwundert. »Etwa der junge Pagel?«
»Ein Strafanstaltsbeamter muß all so was sofort wissen«, schmunzelte der Oberwachtmeister stolz. »Bei meinen Jungen muß ich auf dem Draht sein – die gehen ran!«
»Sie haben mir noch nicht gesagt, von wem Sie Ihre Wissenschaft haben, Herr Oberwachtmeister«, sagte von Studmann trocken. »Es war doch Pagel –?«
»Na ja«, sagte der Oberwachtmeister gönnerhaft, »ich glaub, der Junge hat sein Herz in Heidelberg verloren. Unter uns, streng vertraulich: Er hat mich gebeten, ein Auge auf sein Mädchen zu haben, daß nichts passiert, verstehen Sie …«
»Soso, der Pagel«, meinte Herr von Studmann sehr verwundert, »welche von beiden ist es denn: die Amanda oder die Sophie? Natürlich die Sophie, nicht wahr?«
»Das hat er mir noch nicht gesagt. Er wollte sie mir beim Essenholen zeigen, aber da kamen Sie ja dazwischen.«
»Tief bedauerlich!« lachte Herr von Studmann. »Nun, er wird es ja nachholen können …«
Nachdenklich ging Studmann hinter dem Kommandoführer her. Nachdenklich hörte er eine etwas erregte Auseinandersetzung mit an, weshalb nicht vier verheiratete ältereLeute zum Essenholen bereitstanden, sondern nur drei – und der vierte war ein junger Mensch mit einem unsympathisch glatten, hübschen Gesicht, mit falschen Augen und einem zu starken Kinn.
»Ich will den Liebschner nicht!« schrie Herr Marofke. »Wenn ich ältere Leute sage, heißt das nicht Liebschner! Der hat sich reingemogelt – du gehörst überhaupt nicht in mein Kommando, du gehörst in die Zelle ›Mattenflechten‹! Der Brandt hat sich Blasen an die Füße gelaufen und kann nicht Essen holen? – Ich hab auch ’ne Blase, und sogar im Bauch, und kann doch!« Beifälliges, brüllendes Gelächter. »Wenn ich dich noch mal beim Essenholen erwische, Liebschner, marschierst du den gleichen Tag in den Bunker zurück, verstanden?! He, du da, Wendt, faß du den
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