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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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eigene Leben daransetzen mußten, diesen Gefangenen die begehrte Freiheit vorzuenthalten.
    »Die Liebste sprach: Ich lasse dich nicht,
    Du darfst nicht von mir fahren!
    Weiße Arme und Ketten halten mich nicht –
    Wir sind des Teufels Husaren!«
    sangen sie.
    »Sie kommen! Sie kommen!« rief Amanda Backs in der Waschküche des Schlosses und warf die Holzkelle in ihre Speckerbsen, daß es spritzte. »Komm, Sophie, wir wollen sie uns angucken. Vom Kohlenkeller aus können wir die Schnitterkaserne sehen.«
    »Ich weiß gar nicht, was du hast!« antwortete Sophie kühl. »Solche Zuchthäusler – für die mache ich doch keinen Schritt! Wir werden uns noch genug über die Kerle ärgern müssen beim Essenholen. Das sind doch alles Verbrecher!«
    Aber sie ging doch hinter der andern her und lehnte mit ihr in der kleinen schmutzigen Luke des Kohlenkellers – und rascher atmend sah sie hinüber. Sie sah den Zug, und sie hörte den Sang, und sie schaute und schaute und fand ihn doch nicht zwischen dem Gewimmel und fragte sich: Wenn er nun nicht dabei ist? Wenn sie ihn nicht mitgeschickt haben?
    »Was stöhnst du denn so, Sophie?« fragte Amanda erstaunt.
    »Ich –? Wieso stöhne ich? Ich stöhne doch nicht! Warum sollte ich wohl stöhnen?«
    »Das frage ich auch«, sagte Amanda ziemlich spitz und sah wieder aus dem Fenster. Denn Freundinnen waren die beiden noch nicht, weil die Frage bisher ungeklärt war, wer von den beiden die Köchin und wer die Gehilfin der Köchin war. –
    Hinter dem Zuge der Zuchthäusler fuhren zwei Leiterwagendes Rittergutes, die das Zeug der Leute mitgebracht hatten: Decken und Schüsseln, Bestecke und Apotheke, Waschkannen, Eimer, Spaten, Hacken … Zwischen dem Leiterwagen und dem Zuge aber marschierte ganz allein der Oberwachtmeister Marofke, ein kleiner Mann, aber fein, Oberkommandierender des Arbeitskommandos 5, Zuchthaus Meienburg, in Neulohe, unbedingter Herr über fünfzig Gefangene und vier Wachtmeister. Er hatte sehr dünne, kurze Beine, aber sie steckten in gut gebügelten grauen Hosen. Seine Stiefelchen waren die einzigen, die fast blank waren – ein Gefangener hatte sie ihm vor dem Einmarsch in Neulohe im Straßengraben »wienern« müssen. Herr Marofke hatte einen mächtigen Spitzbauch, der in einem blauen Waffenrock schaukelte, aber gegürtet war mit einem ledernen Koppel, an dem ein Säbel hing. Was das Gesicht anging, so war es trotz der fünfzig Jahre des Herrn Marofke zartfarbig wie bei einem jungen Mädchen, weiß, rosa. Aber bei der geringsten Erregung lief es scharlach an. Der katerhaft gesträubte Schnurrbart war rötlichgelb, das Auge blaßblau, die Stimme krähend und schneidig. Doch trotz aller Schneidigkeit und Schärfe war Herr Oberwachtmeister Marofke die Gutmütigkeit selbst – solange seine Autorität nicht angezweifelt wurde. Geschah das aber, wurde er sofort bösartig, heimtückisch, rachsüchtig wie ein Panther.
    »Das Ganze halt!« krähte er.
    Die Zuchthäusler standen.
    »Kehrt!«
    Sie machten, übrigens nicht sehr militärisch, denn 1923 war alles Militärische den meisten Menschen verhaßt, eine Kehrtwendung. Sie drehten jetzt ihrer Schnitterkaserne den Rücken und sahen das Beamtenhaus und den Hof an.
    Der junge Pagel trat auf den kleinen Herrscher zu. »Herr Oberwachtmeister Marofke, nicht wahr? Ihr Direktor hat uns geschrieben. Mein Name ist Pagel, ich bin hier so eine Art – Lehrjunge. Wenn ich Sie dem Chef vorstellen darf, bitte, dort steht er …«
    Unter den letzten Bäumen, den Ausläufern des Parkes neben dem Beamtenhaus, stand der Rittmeister mit seiner Familie und Herrn von Studmann.
    Stolzgeschwellt, als ginge er auf Luft, als stieße ihn jeder Schritt von der niederen Erde ab, ging Oberwachtmeister Marofke auf den Rittmeister zu. Er schlug die Hacken zusammen, legte die Hand an die Mütze und meldete: »Melde gehorsamst, Herr Rittmeister, Oberwachtmeister Marofke mit zwei Wachtmeistern und zwei Hilfswachtmeistern sowie fünfzig Zuchthausgefangenen als Arbeitskommando 5 angetreten!«
    »Danke, Oberwachtmeister«, sagte der Rittmeister gnädig. Er schaute sich amüsiert den kleinen Kerl an. »Altgedient, was?«
    »Zu Befehl, Herr Rittmeister. Zweiunddreißiger Train.«
    »Ach so, Train! Natürlich. Sieht man.« In des Oberwachtmeisters Auge glomm ein Funke auf. »Felde jewesen?«
    »Zu Befehl, Herr Rittmeister, nein. Ich hatte …«
    »Keuchhusten? Na ja! Also lassen Sie die Leute einrücken, Oberwachtmeister. Essen ist wohl fertig. Sie sorgen

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