Wolf unter Wölfen
für alles, Herr Pagel, wie? Und daß mir stramm gearbeitet wird, Oberwachtmeister, ich will diese Unsummen nicht umsonst ausgegeben haben! Ich danke, Oberwachtmeister!«
Flammendrot ging der Oberwachtmeister zu seinen Leuten zurück.
Es war nicht zu vermeiden gewesen: Herr von Studmann und die gnädige Frau hatten einen Blick gewechselt. Verzweifelt hatte Frau von Prackwitz die Achseln gehoben, Herr von Studmann hatte beruhigend geflüstert: »Ich renke das schon wieder ein, gnädige Frau.«
»Alles können auch Sie nicht wieder einrenken«, hatte die gnädige Frau leise geantwortet und Tränen in den Augen gehabt.
»Was macht ihr denn für Gesichter?!« hatte der Rittmeister sich umdrehend erstaunt gefragt. »Komische Kruke das, der Oberwachtmeister. Bildet sich ’nen Sack voll ein. Natürlichein Drückeberger. Na, ich schleif mir den Bruder schon, der soll noch sehen, was Dienst heißt. Komm, Eva, komm, Weio. Mahlzeit, Studmann, will sehen, daß ich auch was runterkriege – du hast freilich heute früh reichlich dafür gesorgt, daß ich keinen Appetit habe … Also, Mahlzeit!«
6
»Warum sagt er zu Ihnen Herr und zu mir bloß Oberwachtmeister – verstehen Sie das?!« fragte der kleine Oberwachtmeister hitzig den jungen Pagel. »Wir sind hier nicht auf dem Kasernenhof, er ist nicht mein Vorgesetzter!«
Sie saßen in dem Stübchen des Oberwachtmeisters. Draußen, in der Kaserne, lärmten die Gefangenen, lachten, schimpften, sangen, nagelten die Bilder ihrer Liebsten und seit langem geheimgehaltene Fotos von Revuestars an die Wände, pfiffen, bauten Betten, klapperten auch schon mit ihren blechernen Eßgeschirren …
»Kohldampf!« schrie eine Stimme.
»Zigarette gefällig?« fragte Pagel und hielt das Etui über den Holztisch. Aber Herr Marofke dankte für Zigaretten.
»Müßte ’ne hübsche Decke her auf Ihren Tisch«, sagte Pagel musternd. »Überhaupt ein paar nette Sachen, Spiegel, Bilder, anständiger Aschenbecher. Man müßte den jungen Mädchen Bescheid stoßen – na, Sie werden das Kind schon schaukeln. Sie haben sicher immer mächtig Anlauf bei den jungen Mädchen gehabt, Herr Oberwachtmeister.«
Aber der Haken saß zu tief. »Wenn Herr Direktor zu mir Oberwachtmeister sagt, so ist das richtig. Aber er – er hat gar kein Recht dazu! Dann kann ich zu ihm auch Rittmeister sagen. Möchte mal sehen, was der für ein Gesicht zöge!«
»Kohldampf!« schrien zwei Stimmen. Löffel schlugen taktmäßig gegen Kochgeschirre.
»Mit dem Chef ist das komisch«, sagte Pagel nachdenklich. »Vor ’ner guten Stunde hat er mich rausgeschmissen! Jawoll,Herr Oberwachtmeister, sofortiger Rausschmiß wegen Lachens im Dienst. Ich kohle Ihnen nichts vor, Ehrenwort! – Na, ich habe ihm wohl wieder leid getan; weil ich nischt bin und habe, behält er mich nun doch. Aber weil er noch wütend auf mich ist, sagt er Herr zu mir. – Wenn er guter Laune ist, sagt er bloß immer Pagel oder junger Hund.«
Pagel saß wundervoll über den Tisch gelümmelt, blies beim Sprechen kunstvolle Rauchringe und sah seinen Gesprächspartner gar nicht an.
Der musterte ihn argwöhnisch von der Seite. »Warum redet er dann von Keuchhusten mit mir?! Wo ich einen doppelten Leistenbruch habe! Nicht jeder kann einen Heimatschuß kriegen.«
»Och –!« machte Pagel verächtlich. »Aus Schüssen macht sich der Rittmeister doch gar nichts! Zu Schüssen sagt er auch Keuchhusten. Das ist so ein Wort von ihm. – Na, Schwamm drüber!«
»Kohldampf!« schrien sie draußen lauter.
»Aus was macht sich der Rittmeister denn was?« fragte der Oberwachtmeister neugierig. »Das habe ich doch noch nie gehört, daß jemand zu Schüssen Keuchhusten sagt! Wenn einem nun ein Bein amputiert wird?«
»Sagt er auch Keuchhusten. Na Schwamm drüber. Besser verbrennt man sich seinen Mund nicht. – Herr Oberwachtmeister, ich hab eine große Bitte an Sie …«
»Kohldampf!!«
»Wenn Sie mit den Leuten Essen holen, da sind nämlich in der Küche zwei Mädchen. Auf die eine hab ich speziell ein Auge geworfen, wenn Sie da so kameradschaftlich sein wollten, mir nicht in die Quere zu kommen –? Die andere ist nämlich auch ganz hübsch …«
»Junge!« sagte der Oberwachtmeister Marofke, nun doch sehr geschmeichelt, »ist gemacht! Hab man keine Angst –«
»Danke auch bestens, Herr Oberwachtmeister!« stieß Pagel verwirrt hervor.
»Aber, Mensch, wie ich so alt war wie Sie! Ich weiß nicht,was mit euch jungen Leuten heute los ist! Ich hätte in Ihrem
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