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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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brauchst Schlaf.«
    »Ich blute …«, flüsterte er und stützte sich kläglich auf ihren Arm. Dieser Mann, der im Kriege dreimal verwundet worden war, wurde bleich von einem blutenden Ritz in seiner Hand, kaum zwei Zentimeter lang.
    Herr von Studmann hielt es bei diesem Anblick wirklich für geraten, zu gehen. Nicht die Frau war hier die Schutzbedürftige.
    Mit einem letzten Anfall unbeugsamer Entschlossenheit blitzte der Rittmeister ihm nach: »Ich reise – nie!«
    Es war gar kein Wunder, es war eigentlich selbstverständlich, daß der Rittmeister von Prackwitz doch reiste – am nächsten Mittag, und recht aufgeräumt sogar, und zwar zu Herrn Geheimrat Schröck, mit drei Flintenfutteralen und einem Leukoplaststreifen auf der rechten Hand. Wogegen er sich am Abend mit Geschrei gewehrt hatte, Irrsinn und Klapsmühle, dem stimmte der Rittmeister am Morgen auf das erste freundliche Wort der Frau fast begeistert zu. Es war nicht nur der Kater, es war nicht nur der Wunsch, dem Freunde, vor dem er sich so sehr hatte gehenlassen, aus den Augen zu kommen. Nein, es war ganz offen die Freude an der Veränderung: eine Reise, Weidwerk statt Geldsorgen … Und es war nicht zuletzt das hochfeine Sanatorium, die Erholungsstätte des Adels – ein Reichsfreiherr statt des schwitzenden Schwiegervaters …
    »Veranlasse nur, daß regelmäßig ausreichend Geld geschickt wird«, sprach er besorgt zu seiner Frau. »Ich möchte mich doch nicht blamieren –«
    Frau Eva versprach es.
    »Ich denke, ich gehe in Berlin noch einmal bei meinem Schneider vorbei«, meinte der Rittmeister sinnend. »Ich habe eigentlich keinen ganz frischen Jagdanzug mehr … Du bist doch einverstanden, Eva?«
    Frau Eva war einverstanden.
    »Ihr müßt dann eben sehen, wie ihr hier zurechtkommt. Ich reise nur auf euren Wunsch, vergiß das nie! Bitte keine Klagen, daß etwas nicht klappt. Mir liegt nichts an der Reise. Ich kann auch hier Karnickel schießen!«
    »Willst du dich nicht noch von Studmann verabschieden, Achim?«
    »Ja, natürlich! Wenn du meinst. Erst einmal werde ich packen. Und die Flinten müssen auch noch gefettet werden. Jedenfalls grüße ihn schön von mir, wenn ich ihn nicht mehr sehen sollte. Er wird jetzt wohl immer deinen Herrn Vater um Rat fragen. Er kann ja nicht Winter- und Sommergerste unterscheiden! Ihr werdet hier Sachen anrichten!« Der Rittmeister lächelte freudig. »Na, wenn es gar zu schlimm wird, kannst du mich rufen. Ich komme natürlich sofort. Ich bin nicht übelnehmerisch, ich nicht!«

12
    An der Tür lauschend, hatte Violet nur den Anfang der Auseinandersetzung im Zimmer ihres Vaters angehört. Dann, als sie sich überzeugt hatte, der Streit werde wohl noch eine Weile weitergehen und die Mutter in Atem halten, war sie durch die dunkle Küche aus dem Haus geschlüpft. Einen Augenblick stand sie zaudernd an der Hinterfront. Noch einmal überlegte sie, ob sie es wagen sollte. Kam ihre Mutter dahinter, daß sie bei Nacht statt ins Bett aus dem Haus gegangen war, konnte kein noch so trotziges Lügen sie vor der angedrohten Einschließung in ein strenges Töchterpensionat retten! Außerdem hatte sie Hubert Räder mit dem Brief losgeschickt – fand er den Leutnant, erreichte der Brief ihn, so würde Fritz noch in dieser Nacht unter ihr Fenster kommen, und da war an der Wand das Spalier! Ging sie fort, verfehlte sie ihn vielleicht …
    Zögernd stand sie. Alles sprach dafür, zu bleiben und zu warten. Aber da war die warme, voll ausgestirnte Augustnacht …Die Luft war wie etwas Lebendiges, das sich an ihre Haut schmiegte – sie war wie eine Verbindung zu ihm, der auch in dieser weichen Nacht draußen war, vielleicht ganz in ihrer Nähe … Sie fühlt das Blut leise in ihren Ohren singen, diesen süßen, verführerischen Lockgesang, den der Körper singt, wenn er bereit ist … Sie möchte doch lieber gehen – ihr wird ganz traurig, als sie daran denkt, daß sie die Nacht umsonst auf ihn warten könnte …
    Ein kleiner Lichtfleck ganz unten am Hause, fast in der Erde, erregt ihre Aufmerksamkeit. Unentschlossen, wie sie ist, geht sie erst einmal auf ihn zu, froh über jede Ablenkung, die den Entschluß hinausschiebt. Sie geht ganz leise; nun, neben dem Lichtschein angelangt, läßt sie sich aufs Knie nieder und späht. Was sie im Keller sieht, ist die erleuchtete Kammer des Dieners Räder. Aber so weit sie sich auch vorbeugt: die Kammer ist leer, für niemanden brennt das Licht. Es kann auch nicht anders sein, sagt sie sich.

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