Wolf unter Wölfen
einsehen willst, daß Herr von Studmann und ich nur deinetwegen sechs Stunden lang mit den Eltern geredet haben, dann ist jedes Wort umsonst. Wer hat ewig Schwierigkeiten mit Papa? Wer hat auf die Gänse geschossen? Doch nur du! Und schließlich geht es um deine Zukunft! Violet und ich, wir können immer in Neulohe bleiben, wir stören keinen, wir haben keine Schwierigkeiten mit den Eltern …«
»Also bitte!« rief der Rittmeister. »Wenn ich euch störe, ich kann sofort reisen! Bitte wohin, Studmann?«
Er war tödlich verletzt.
»Jaha …«, sagte Studmann zögernd, rieb sich die Nase und betrachtete nachdenklich den gekränkten Freund. »Ich habe da so eine Idee gehabt … Es war nämlich meine Idee …«
Der Rittmeister sah ihn finster an, sagte aber kein Wort.
Der Oberleutnant griff in seine Tasche und brachte einen Brief hervor. »Da ist nämlich dieser ulkige Vogel, der Geheimrat Schröck, der dir soviel Spaß gemacht hat, Prackwitz …«
Der Rittmeister sah nicht nach Spaß aus.
»Er hat mir ein paarmal geschrieben, wegen dieser Entschädigung von dem Baron, du erinnerst dich, Prackwitz …«
Der Rittmeister gab kein Zeichen, daß er sich erinnerte.
»Nun, ich habe natürlich alles abgelehnt, du kennst ja meine Einstellung …«
Ob der Rittmeister sie kannte oder nicht – er blieb stumm und finster.
Fröhlicher fuhr Studmann fort, und er schwenkte den Brief –: »Und da ist nun dieses letzte, vorgestern gekommene Schreiben des Geheimrats Schröck … Er scheint ja wirklich ein komischer Kauz zu sein, mit seltsam plötzlichen Sympathien und Antipathien. Du erzähltest mir ja, wie sehr er diesen Patienten, den Baron Bergen, zu hassen schien. Nun, für mich scheint er sein Herz entdeckt zu haben, sehr komisch auch, wenn man bedenkt, daß er mich nie gesehen hat, nur von mir weiß, daß ich betrunken eine Hoteltreppe hinuntergefallen bin … Also, in diesem Brief macht er mir einen neuen Vorschlag, von sich aus, es hat nichts mit diesem Baron von Bergen zu tun …«
Herr von Studmann ist wieder bedenklich geworden. Nachdenklich sieht er den Brief an, dann den so ungewohnt schweigsamen Freund, dann rasch die stille Frau Eva. Frau Eva nickt ihm ermutigend zu. Es ist eigentlich kaum ein Nicken, mehr nur ein Schließen der Lider, das ja bedeuten soll. Wieder blickt Studmann seinen Freund an, ob der etwas von diesem Zeichen bemerkt hat. Aber von Prackwitz steht still und schweigend am Fenster.
»Jaha …«, sagt Herr von Studmann und bringt sich wieder in Gang. »Es ist natürlich nur eine Idee von mir, ein Vorschlag … Herr Geheimrat Schröck hat daran gedacht, einen kaufmännischen Direktor für sein Sanatorium einzustellen.Es sind ziemlich umfangreiche Betriebe, über zweihundert Patienten, an die siebzig Angestellte, Riesenpark, auch etwas Landwirtschaft … Nun, du verstehst, Prackwitz, es gibt da so allerlei zu tun … Und wie gesagt, Herr Geheimrat Schröck hat da an mich gedacht …«
Studmann sieht seinen Freund freundlich an, aber der Freund sieht ihn nicht wieder an. Er schenkt sich vielmehr einen Wodka ein und trinkt ihn aus. Dann schenkt er sich einen zweiten Wodka ein, den er aber noch nicht trinkt. Frau Eva rückt auf ihrem Sessel hin und her und räuspert sich, aber sie sagt nichts – auch nichts gegen die Wodkas.
»Natürlich will mich Herr Geheimrat Schröck nicht blindlings engagieren, so weit gehen selbst seine Sympathien nicht«, fährt Herr von Studmann fort. »Er lädt mich ein, erst einmal einige Wochen als Gast zu ihm zu kommen, und damit ich mich diese Zeit bei ihm nicht überflüssig fühle, führt er beweglich Klage über eine fast australische Kaninchenplage, die ihm Park und Feld verheert. Er meint, wenn ich mal mit seinem Frettierer und mit Netzen und Flinte dagegen vorginge –. Er scheint ein ganz praktischer Mann zu sein, der alte Herr …«
Wieder sieht Herr von Studmann den Freund freundlich an. Der Rittmeister erwidert diesen Blick finster, statt einer Antwort kippt er den zweiten Wodka und gießt sich einen dritten ein. Frau von Prackwitz trommelt leise auf der Lehne ihres Sessels, aber sie schweigt auch. Die Last des Redens liegt weiter auf dem Oberleutnant, sie wird allmählich drückend.
»Ja, du bist doch nun so ein passionierter Jäger und glänzender Schütze, Prackwitz«, fängt Herr von Studmann wieder an. »Und wir haben gedacht – ich habe gedacht, ein bißchen Ausspannung wird dir sehr gut tun. Denke einmal, die Ruhe, das gute Essen in so einem
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