Wolf unter Wölfen
Stelle zurückgehen, von der man einmal fortgegangen ist. Es ist praktisch erprobt, daß dies nicht zweckmäßig ist.«
Der Leutnant ist völlig erschöpft. »Dann hauen Sie ab, Mensch!« sagt er müde. »Ich kann keinen Diener brauchen, ich kann keinen Diener bezahlen, lassen Sie mich also in Frieden!«
Er geht weiter. Er denkt wieder an den dicken Kriminalisten. Er hat hier so viel Zeit vertrödelt, er hat kaum noch Zeit – und es ist noch so weit bis in seinen Gasthof!
»Was wollen Sie denn immer noch?!« ruft er ärgerlich zu seinem stummen Begleiter.
»Ich möchte Herrn Leutnant gerne behilflich sein«, lautet die unerschütterliche Antwort. »Der Herr Leutnant brauchen Hilfe.«
»Nein!« schreit der Leutnant.
»Wenn Herr Leutnant gestatten«, flüstert die hartnäckigeStimme, »ich habe hier ganz nahebei ein kleines Zimmer genommen. Herr Leutnant könnten sich dort in aller Ruhe waschen. Ich würde unterdes die Kleider vom Herrn Leutnant reinigen …«
»Ich scheiß auf die Kleider!« ruft der Leutnant ärgerlich. »Jawohl, Herr Leutnant! Und Herr Leutnant würde vielleicht einen starken Mokka mit einem doppelten Kognak gut gebrauchen.« Mit einem leicht vertraulichen Unterton: »Ich kann mir ja denken, daß der Herr Leutnant seine Kräfte heute noch nötig haben wird.«
»Was können Sie sich denken, Sie Esel!« ruft der Leutnant zornig. »Was wissen Sie von meinen Kräften!«
»Nun, wegen des verratenen Waffenlagers doch!« erklärt die höfliche, kalte Stimme. »Ich kann mir doch denken, daß Herr Leutnant nicht so ohne weiteres hinnehmen wird, was ihm das gnädige Fräulein angerichtet hat …«
Der Leutnant steht wie vom Donner gerührt. Seine geheimsten Gedanken im Hirn dieses hergelaufenen Trottels! Er begreift es nicht.
Aber dann sagt er hastig: »Also, kommen Sie her, zeigen Sie mir Ihr Zimmer. Aber wenn Sie die geringste Hinterlist vorhaben –!«
»Ich werde dem Herrn Leutnant erklären. Es ist alles ohne weiteres faßlich. Bitte, hier entlang, Herr Leutnant. Wenn ich den Arm vom Herrn Leutnant nehmen dürfte, würde es schneller gehen …«
Eine halbe Stunde später sitzt der Leutnant schon einigermaßen erholt in der tiefen Sofaecke des Räderschen möblierten Zimmers. Er hat einen Mokka mit sehr viel Kognak getrunken, und der Diener ist grade dabei, ihm einen zweiten fertigzumachen.
Nachdenklich schaut der Leutnant dem ruhigen Hantieren des wunderlichen Menschen zu, schließlich sagt er: »Hören Sie mal her, Herr Räder!«
»Einen Augenblick bitte, Herr Leutnant. Sie werden entschuldigen,daß es nicht schneller geht, es ist alles sehr primitiv hier.«
Und er mustert die Bude mit einem verächtlichen Blick.
»Warum sind Sie eigentlich nach Ostade gekommen, Mensch?« fragt der Leutnant. »Doch nicht etwa, weil Sie mich treffen wollten –?«
Und der Leutnant lacht, so unwahrscheinlich kommt ihm selber dieser Verdacht vor.
Aber der Diener antwortet ernsthaft: »Doch, Herr Leutnant. Ich hoffte, den Herrn Leutnant zu finden. Ostade ist ja kein größerer Ort.«
Er stellt den Mokka vor den Leutnant, ohne der Wirkung seiner Worte irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Dann rückt er die Kognakflasche griffrecht.
»Ich würde jetzt zu etwas weniger Kognak raten, Herr Leutnant sind schon wieder ganz mobil. Und Herr Leutnant wollen doch sicher einen klaren Kopf behalten?«
Er richtet den fischigen, ausdruckslosen Blick auf den jungen Mann, den es leise schaudert.
Wenn dieser Kerl kein Dummkopf ist, dann ist er ein abgrundtiefer Schurke, denkt er plötzlich.
Und laut: »Und warum wollten Sie mich finden? Aber sagen Sie jetzt nicht, um mir behilflich zu sein!«
»Weil ich dachte, es würde den Herrn Leutnant interessieren, wie das Lager verraten wurde.«
»Und wie wurde es verraten?«
»Weil der Herr Leutnant doch nicht mehr zu dem gnädigen Fräulein kamen und auch die Briefe nicht aus dem hohlen Baum nahmen, hat das gnädige Fräulein das von dem Waffenlager an den Herrn Meier geschrieben, weil das gnädige Fräulein doch wußten, daß der Herr Meier auch solche Wut auf den Herrn Leutnant hatten.«
»Das lügst du!«
»Wie der Herr Leutnant meinen.« Die Antwort klingt unerschüttert. »Wieviel Kognak befehlen Herr Leutnant? Der Mokka ist grade richtig heiß.«
»Na, gieß schon. Die Tasse kann ruhig voll werden, das wirft mich nicht um.« Der Leutnant sieht scharf in das graue, trübe Gesicht. »Selbst wenn es wahr wäre, das Fräulein würde es Ihnen nicht gesagt
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