Wolf unter Wölfen
Kniebusch, ich muß doch sehen, ob in meinen Kartoffelmieten wieder Mauselöcher sind, ich bringe Sie das Stückchen.«
Immer stand der Förster sofort willig auf und ging mit. Er kam nicht auf die Idee, daß der Freund ihn fortschickte, loswerden wollte. – Aber als es drei-, viermal so gegangen war, kam dem alten Kniebusch der Gedanke, daß er seinem Freunde wenigstens eine Arbeit abnehmen könnte. Wenn er jetzt seinen Morgenspaziergang zum Gutsbüro machte, ging er Miete auf Miete ab. Er meldete: »Miete sechs, sieben, elf je ein Loch. Am Nordende, Mitte, Südende …«
Er nahm es sehr genau.
»Ja, Sie seufzen, Herr Pagel«, sagte Amanda erbost. »Aber Sie könnten es ihm ruhig sagen, daß Ihnen die ständige Rumsitzerei und Stiererei auf dem Büro nicht paßt! Der Kniebusch, der ist doch auch grade kein Sanfter gewesen, und wen er reinlegen konnte, den hat er reingelegt. Und wenn Sie es ihm nicht sagen mögen, so sage ich es ihm!«
»Das werden Sie bleibenlassen, Amanda!« hatte Pagel geantwortet, und er hatte es mit solchem Nachdruck gesagt, daß Amanda es wirklich bleibenließ.
Es regnete bei völliger Windstille sehr fein vom Himmel herunter, als der Förster an diesem Tage aus seinem Haus trat. Es war nicht hell und nicht dunkel, es war nicht einmal Dämmerung, es war einer dieser öden, trostlosen Herbsttage, die nur fahl sind, die sich wie ein Alp auf das Herz der jungen Menschen legen. Den alten Förster aber freute das Wetter, nun war er sicher, seinen jungen Freund auf dem Büro zu treffen. Bei diesem schlechten Wetter würde er nicht unterwegs sein, sondern lieber im Trocknen schriftliche Arbeiten erledigen. Der Förster stülpte sich einen alten Filz auf den Schädel, hing sich sein Regencape um und machte sich auf den Weg.
Er ging, die Hände schön trocken und warm unter dem Cape über den Bauch gefaltet, in einem langsamen und behaglichen Schlürfeschritt dem Hof zu. Wenn er es genau bedachte, war es ihm noch nie in seinem Leben so gut ergangen, und so gut, wie es ihm erging, fühlte er sich auch. Nicht einmal vor der Rückkunft des Geheimrats mußte er sich fürchten. Auf Pagels Veranlassung hatte der Arzt an Herrnvon Teschow geschrieben, und der alte Herr hatte seinem alten Förster nicht etwa ärgerlich, sondern recht freundlich geantwortet: Er solle doch sehen, wieder ein bißchen auf die Beine zu kommen, damit er seinem Nachfolger die Schliche des Wildes, die Kniffe des Reviers und die Pfiffigkeiten der Bevölkerung noch beibringen könnte. Um den Dienst aber sollte er sich nun wirklich keine Gedanken mehr machen –!
Der Alte hatte eine Ahnung! Der Förster machte sich überhaupt keine Gedanken, heißt Sorgen, mehr. Um die Forst schon gar nicht; aber tat es ihm etwa leid, ärgerte er sich auch nur ein bißchen, wenn er Löcher in den Kartoffelmieten fand? Die machten doch seinem besten und einzigen Freunde Pagel Kummer und Sorge! Das wußte er; aber den Förster Kniebusch freuten die Löcher, denn wenn Löcher da waren, hatte er etwas zu melden und war seinem Freunde von Nutzen! –
So ging er denn ganz zufrieden eine Seite der Kartoffelmieten hinauf und die andere hinunter. Aber es war leider, wie er sich beinahe hätte denken können: Bei diesem Sauwetter hatten die Leute nicht einmal zum Klauen Lust. Kleidung war knapp, noch aus dem Kriege her, und die eine graue Uniform, die von den Männern aus dem Felde mitgebracht war, machten sie sich auch nicht gerne naß.
So sah es denn aus, als ob es heute nichts zu melden geben würde, und das war verdrießlich. Bis der alte Kniebusch zu der allerletzten Miete kam, und auf deren anderer Seite, auf der nach dem Walde zu, fand er denn auch wirklich das ersehnte Mauseloch; und ein ganz stattliches dazu, sechs oder acht Zentner Kartoffeln waren da mindestens rausgeholt worden!
Der Förster hätte nun vergnügt dem jungen Pagel seine Meldung machen können, aber er sah statt dessen nachdenklich einen kleinen Tretweg an, der von dem Mietenloch direkt in die Fichtenschonung führte. Das nasse Wetter hatte den Boden aufgeweicht, er erzählte klar und deutlich, daß die Kartoffeln nicht auf einem Handwägelchen direkt vom Mietenplatz auf die feste Straße und dann ins Dorf geschafft worden waren. Die noch ganz frischen Spuren sagten,daß die Kartoffeln erst einmal in die Schonung gebracht waren und dort wohl noch lagen.
Den Förster plagte die Neugierde der alten Männer, die quälend wie ein juckendes Ekzem ist; den Förster trieb der Spürsinn
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