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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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dem letzten Rest ihres Lausanner Pensionsfranzösisch: »Attention! La servante!«, und die Damen verstummen. Ist Besuch da – wird Fräulein zu Luft, so gehört es sich. (Erst wenn der Besuch wieder fort ist, wird ihr alles erzählt.)
    Aber nach dem ersten Verstummen bleibt Frau von Anklam nun nicht etwa stumm, das gehörte sich auch wieder nicht. Sie redet vom Wetter, es ist so schwül heute, vielleicht gibt es ein Gewitter, vielleicht ja, vielleicht aber auch nein. Sie hatte einmal ein Fräulein, das bekam Reißen in der großen Zehe vor Gewitter – sehr seltsam, was? –
    »Es stimmte immer, und einmal, als Fräulein grade auf Urlaub war, wir hatten damals noch das Gut, weißt du, bekamen wir doch das Gewitter mit dem schweren Hagelschlag, der die ganze Ernte zusammendrasch – wenn Fräulein nun keinen Urlaub gehabt hätte, hätten wir das doch vorher gewußt – und das wäre doch sooo gut gewesen, nicht wahr, liebe Mathilde? Aber natürlich, grade da mußte Fräulein auf Urlaub sein! –
    Ja, es ist alles recht, Fräulein, danke. Sie können jetzt noch die Spitzenrüschen an meinem schwarzen Taftkleid plätten. Sie sind schon geplättet, ich weiß, Fräulein. Es ist nicht nötig, daß Sie mir das sagen. Aber sie sind nicht so geplättet, wie ich es gewöhnt bin, sie müssen sein wie ein Hauch … Fräulein! Wie ein Hauch! Also tun Sie das, Fräulein!«
    Und kaum ist hinter Fräulein die Tür zu, wendet sich Frau von Anklam wieder ganz teilnahmsvoll an Frau Pagel. »Ich habe es mir hin und her überlegt, liebe Mathilde, aber es bleibt dabei: sie ist einfach eine Person!«
    Frau Pagel fährt zusammen, sieht ängstlich zur Tür. »Fräulein?«
    »Aber, Mathilde, konzentriere dich doch ein bißchen! Von was reden wir? Von der Heirat deines Sohnes! Wenn ich so unkonzentriert sein wollte! Ich habe stets meinen Damen gesagt …«
    Frau Pagel hat immer noch die Hoffnung, irgend etwas Positives zu erfahren, sie weiß eigentlich nicht, was. Es gelingt ihr einzuschieben: »Das Mädchen ist vielleicht doch nicht ganz schlecht …«
    »Mathilde! Eine Person! Nur eine Person!!«
    »Sie liebt Wolfgang – in ihrer Art …«
    »Davon will ich nichts hören! Unanständigkeiten, nein, in meinem Heime nicht …«
    »Aber Wolfgang spielt, Betty, verspielt alles …«
    Frau von Anklam lacht. »Wenn man dein Gesicht sieht, beste Mathilde! Der Junge jeut ein bißchen – du mußt nicht ›spielen‹ sagen, ›spielen‹ klingt so gewöhnlich – alle jungen Menschen jeuen ein bißchen. Ich erinnere mich, wie wir damals das Regiment in Stolp hatten, wurde auch viel gejeut unter den jungen Leuten. Exzellenz von Bardenwiek sagte zu mir: ›Was machen wir bloß, gnädige Frau von Anklam? Wir müssen etwas dagegen tun.‹ Ich sagte: ›Exzellenz‹, sagte ich, ›wir werden gar nichts tun. Solange die jungen Leute jeuen, machen sie keine andern Dummheiten.‹ Und er pflichtete mir sofort bei … Herein!«
    Es hat leise und vorsichtig geklopft an der Tür. Nun steckt Fräulein den Kopf herein. »Ernst ist zurück, Exzellenz.«
    »Ernst –? Was will er denn –? Was sind denn das für neue Moden, Fräulein?! Sie wissen doch, ich habe Besuch! Ernst – unglaublich!«
    Trotz dieses Gewitters wagt das Fräulein noch etwas zu sagen, sie piepst wie eine Maus in der Falle: »Er war auf dem Standesamt, Exzellenz.«
    Frau von Anklam verklärt sich: »Ach natürlich, er soll sofort hereinkommen, sobald er sich die Hände gewaschenhat. Was Sie für lange Geschichten aus allem machen, Fräulein! – Fräulein, einen Augenblick, rennen Sie doch nicht immer gleich so kopflos fort – warten Sie bitte meine Anordnungen ab. Geben Sie ihm erst noch ein paar Spritzer Eau de Cologne, jawohl, von der Wasch-Eau-de-Cologne! Man weiß nicht, mit wem er dort zusammengewesen ist.«
    Wieder allein mit der Kusine: »Ich wollte doch wissen, wie die Trauung verlaufen ist. Ich habe mir lange überlegt, wen ich zu so etwas schicken könnte. Ich habe unsern Ernst geschickt. Nun, jetzt werden wir ja hören …«
    Und ihr Auge leuchtet, sie rückt die schwere Leibesfülle im Sessel hin und her, ganz Erwartung. Sie wird etwas Neues hören, wieder etwas für die Rumpelkammer – o Gott, großartig!
    Der Diener Ernst tritt ein, ein älterer Mann, an die Sechzig, ein Männchen, lange schon, ein Leben schon bei Frau von Anklam.
    »Unter der Tür!« ruft sie. »Unter der Tür bleibst du stehen, Ernst!«
    »Ich weiß doch, Exzellenz!«
    »Gleich nachher badest du, ziehst dich

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