Wolf
Ein Knurren begann in seiner Kehle zu vibrieren. Dann redete er in seiner Sprache. Schneller, als zuvor, gehetzt und wütend. Der Kerl antwortete flehend, doch Valerion ging darauf nicht ein. Er fauchte ihm förmlich etwas ins Gesicht, dann holte er tief Luft, schien sich zu sammeln. Das war dermaßen untypisch für ihn, dass Julian fragte: „Was ist mein Schöner?“
„Nenn mich nicht so“, fauchte Valerion, dass Julian zurückprallte.
„Sorry. Er hat mir gerade erklärt, dass er den Kobolden erklärt hat, mich umzubringen. Ihre Artgenossen zu rächen“, erklärte Valerion tonlos. Julian sprang erschrocken auf, was ihm ein Fauchen von dem Tiger-Kerl einbrachte.
„Setz dich. Aufpassen“, murmelte Valerion und es klang seltsam kraftlos. Wunderte Julian keine Sekunde, während sein Herz nervös in seiner Brust pochte. Er war sich nur zu bewusst, dass er mit einem Tiger in einem Raum saß, der auch nicht gerade gut aufgelegt schien. Diese Tiere hatte er nie so studiert, er war sich nicht sicher. Doch trotzdem war er sich sicher, dass er - wäre er verwandelt gewesen - gereizt mit seinem Schwanz gezuckt hätte. Er schluckte schwer und setzte sich wieder.
„Es war ja nur eine Methode sie zu überreden“, beschwichtige Valerion ihn weiter, doch auch das klang tonlos. Dann wandte er sich wieder dem Kerl zu und fragte etwas, was er gleich wieder übersetzte: „Warum bist du überhaupt hier?“
Der Kerl antwortete und Valerion riss die Hand weg. Was zur Folge hatte, dass die Luft verschwamm und der Tiger vor dem Tisch stand. Aber auch Valerion hatte sich verwandelt, lief ins Schlafzimmer. Julian war erst mal ziemlich perplex, dann blickte er misstrauisch zu dem Tiger. Gereizt war er offensichtlich, hatte ihn fixiert. Große Klasse, wirklich, dachte Julian sarkastisch. Er hatte einen wilden Tiger in der Wohnung. Er stand langsam auf, wich zum Schlafzimmer zurück, wobei er den Tiger nicht aus den Augen ließ. Der ihn ebenfalls nicht. Endlich hatte er die Tür erreicht, schlüpfte hindurch und schloss sie schnell. Erleichtert atmete er auf, wobei er sich fast sicher war, dass der Tiger die Tür ohne weiteres aufbekommen könnte. Wenn nicht indem er die Klinke drückte, dann vermutlich indem er sich einfach dagegen warf. Trotzdem fühlte er sich mit der Tür zwischen ihnen wesentlich sicherer.
Er drehte sich um. Sein Wolf marschierte unübersehbar gereizt auf und ab, blickte ihn nicht an. Was war da eigentlich los?
Julian holte tief Luft, ließ nicht zu, dass seine Gedanken durcheinander wirbelten. Er setzte sich ins Bett, lehnte sich gegen die Wand. Dieser Kerl war also hierher gekommen, um … Ja, warum, das hatte Valerion nicht mehr übersetzt. Doch wie, das hatte Julian mitbekommen. Er hatte Kobolde bestochen, die wiederum einer Magierin zugesetzt hatten. Wie konnte Julian sich nur zu lebhaft vorstellen. Auch die Reaktion von dem Tiger im Park, verstand Julian jetzt. Er hatte das erste Mal in seinem Leben Tiere in einem Gehege gesehen, hatte vermutlich geglaubt, dass man Valerion eingesperrt hatte. So hektisch wie er gewesen war und die Tatsache, dass er überhaupt hier war, ließ Julian schließen, dass ihm viel an Valerion liegen musste. Das schürte die Eifersucht in Julian, doch als er an Valerions Reaktion dachte, war die gleich wieder verschwunden. Denn der war alles andere, als begeistert gewesen, diesen Kerl hier zu sehen. Das war mehr als offensichtlich gewesen.
Julian blickte zu seinem Wolf, der sich vor dem Schrank zusammengerollt hatte und zu ihm blickte. Julian nahm ihm nicht übel, dass er verwandelt blieb. Denn er war zweifellos ziemlich aufgewühlt.
„Komm her, wenn du magst“, murmelte er und klopfte neben sich. Sein Wolf hob den Kopf, sah ihn mit leicht schräger Kopfhaltung an.
„Heute ist eine Ausnahme“, meinte Julian, klopfte noch einmal auf die Matratze. Er hatte schließlich die Regel aufgestellt, dass kein Wolf im Bett sein sollte. Aber die Haare, die waren im Moment sein geringstes Problem. Sein Wolf stand auch fast sofort auf und kam zu ihm. Den Kopf auf seinem Schoß, schnaufte er. Julian legte vorsichtig die Hand auf seinen Hals, begann ihn zu graulen.
„Was hat er nur gesagt, dass du so reagiert hast? Hat dir offensichtlich nicht gefallen? Und warum ist er hier?“, flüsterte Julian. Er war sich nicht sicher, wie gut Tiger hörten und wie viel dieser dort draußen schon verstand.
Die Luft verschwamm und kurz darauf meinte Valerion: „Er war es, der mich verraten hat.
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