Wolfgang Ambros - Die Biografie
keine große Sache. Ich steigere mich in eine Art Rausch hinein und zerstöre, ich weiß nicht genau, so an die zwanzig Spinde, bis man mich davon abhält. Ich werde zum Direktor geführt und der sagt: »Schulverweis.«
Drei Tage später war eine Disziplinarkonferenz. Ich musste draußen warten, drinnen haben sie getagt. Nach ausführlicher Beratung kamen sie mehrheitlich zu dem Schluss, dass ich für die Schule untragbar war, und ich flog hochkantig hinaus. Ich hatte nicht einmal eine Chance, mich vom Joesi zu verabschieden. Am Vormittag dieses sonnendurchfluteten Tages Ende April 1966 bin ich draußen auf der Westbahnstraße gestanden, ohne Nichts, hab mich ins Café Westend geschlichen und mir einen Wein bestellt.
Leser: »Ein Prosit auf die Aussichtslosigkeit.«
Ich habe mir gedacht, na ja, das war’s jetzt. Noch einem Versuch wird der Vater nicht zustimmen, und ich kann schauen, wo ich bleibe. Mir war klar: Das Herumsandeln hat ein Ende. Und ich habe mich nicht geirrt. Der Vater hat mich gar nicht mehr angeschaut, der Bruch war perfekt. Die Stimmung war ja schon vorher beim Teufel aufgrund meiner ganzen Fisimatenten. Er wollte mir meine Gitarre wegnehmen, nicht die kleine rote, in der Zwischenzeit hatte ich eine andere, und alle meine Platten hat er auf den Mist geschmissen.
Leser: »Das tut weh.«
Ja, aber ich hab sie mir wieder rausgeholt. Meine Musik konnte ich mir nicht nehmen lassen. Ohne Musik fühlte sich mein Leben taub an. Die Musik war mein erklärter Wille. Mein Ziel. Von dem ich noch gar nicht wusste, wie es genau aussah. Ich wusste nur verdammt genau, wie es nicht aussehen durfte. Ich hatte es schon einmal vor mir gesehen.
Es war nicht lange her, da lehnte ich an der Hausmauer unserer Schule in Wolfsgraben. Die Sonne schien mir ins Gesicht und dann bog ein Auto um die Ecke und es schob sich ein Schatten vor mich. Im Wagen, es war unser Ford Anglia, saßen mein Vater, meine Mutter und mein Bruder. Ich sah ihnen zu, wie sie auf die Garage zurollten, und dachte: Das will ich nie, so möchte ich nie werden. Ich möchte so sein wie der Jagger. Von da an war mir klar, worauf ich hinarbeite. In dem Moment hatte ich beschlossen, mich der Musik zu verschreiben.
Nicht, dass ich diese Erkenntnis vergessen hätte. Aber grad jetzt konnte man wirklich nicht behaupten, dass ich auf der Zielgeraden meines Weges gewesen wäre. Mein Vater hat klargemacht, dass ich ihm nicht auf den Gedanken kommen soll, die Ferien abzuwarten, jetzt wird was gehackelt. Und von da an war ich alles und nichts.
Zuerst Schreibmaschinenmechaniker im sechsten Bezirk in der Webgasse. Ich habe Underwoods repariert: Ring vom Farbband nehmen, Stäbe mit den Buchstaben fein säuberlich putzen, wieder richtig auf den Ring stecken, Farbband wechseln. Das warder übliche Service. Sechshundert Schilling hat man mir im Monat bezahlt.
Dann war ich Auslagendekorateur, beim Lauscha auf der Hütteldorfer Straße, weil ich doch eine grafische Vorbildung habe, wie meine Mutter meinte, die für mich die Jobanzeigen durchstöberte. Der alte Lauscha hat mir zugeschaut, was ich so drapiert hab in seiner Auslage. Hat ihm nicht gefallen. Der junge Lauscha war nett zu mir. Halt was anderes, hat er gesagt und mir ein paar Sachen geschenkt, weil ich dahergekommen bin, als hätte mich ein Mistkübel ausgespuckt. Und die Haare sind auch länger geworden. Hippiemäßig.
Unterdessen hat man auch dem Joesi Prokopetz nahegelegt, er möge bitteschön die Schule verlassen. Im Hawelka liefen wir uns wieder über den Weg. Dort in dem legendären Café entstand die First Vienna Meeting Round, eine Rotte von Jugendlichen zwischen fünfzehn und siebzehn, die Wien zum Nabel der Welt erklärten. Bissel Kant, bissel Kafka, bissel Kiffen. Der alte Hawelka gab uns den Stammtisch neben dem Herrenklo.
Leute aus verschiedenen sozialen Schichten fanden sich ein und belebten unser Soziotop. Denker, Exzentriker, Künstler, Nihilisten, Philosophen, verkappte Schriftsteller. Aber vor allem schöne Töchter aus gutem Hause, viele mit einem Von im Stammbaum. Was haben die unser Leben bereichert! Die Kathi, die Andrea, die Ingrid und nicht zuletzt die Adele, eine leicht pummelige Italienerin mit französischem Namen. Von allen habe ich was gelernt. Grundbegriffe von Literatur und weiterführende Kurse in Biologie.
Mich Landei hat man dort wohl gelitten, weil ich eine Gitarre hatte und jetzt schon so ziemlich alle gängigen Sachen spielen konnte. Auf jede Party haben sie mich
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