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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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denen der Duft von Marihuana wie ein Parfüm des Widerstands an der Uniform haftete. Wir bildeten die asoziale Armee, offiziell stationiert in der Stockerauer Kaserne.
    Die Christl hat mich hingeführt, weiter kamen wir nicht. Die Tore waren hermetisch abgeriegelt, niemand konnte rein. Der Grund: Salmonellen-Vergiftung. Jetzt war das kein Lassa-Fieber, bei dem Leute in gelben Schutzanzügen durch die Gegend steigen und Grenzwerte messen. Trotzdem haben sie es als ernsteingestuft und die Autos weggescheucht, die nach und nach ankamen und immer mehr von uns Zivilisten ausspuckten, die sie einziehen wollten.
    Man wusste nicht so recht, was man mit uns anfangen sollte. Drinnen Quarantäne, draußen ein Gwirgs. Letztlich haben sie uns in Lastwagen bugsiert und, Gottigkeit, nach Kagran verfrachtet. Dort haben sie schon gar nichts gewusst. Wir fünfzig Mann hoch hatten keinen blassen Schimmer, was da auf uns zukommen wird, weil die Offiziere noch einen viel blasseren Schimmer hatten, was da auf sie zukommt. Offensichtlich war nur eins, man sah es in den stechenden Augen der Uniformierten: Wir waren der Sud der Menschheit, kein General hätte uns gern unter sein Kommando genommen. Man wies uns Quartiere zu, die den Charme eines koreanischen Gefangenenlagers hatten, und dann war nichts mehr. Vierzehn Tage hat es gedauert, bis sich jemand mit uns befassen wollte.
    Einer von höherem Rang hat letztlich begriffen, dass es so nicht weitergehen kann mit uns Langhaarigen. Dann hieß es auf einmal, zack, zack, zack, jetzt schleifen wir alle zum Friseur. Geschoren waren wir es endlich wert, in grünes Tarngewand gesteckt zu werden. Nachdem der Ausnahmezustand beendet und die Quarantäne aufgehoben war, hat man uns wieder nach Stockerau gekarrt. Sodann ist es aber zur Sache gegangen. Sechs Wochen Grundausbildung, November, saukalt. Sie haben uns durch die Felder und andere gefährliche Situationen gejagt. Im Dreck robben, Marschgepäck schleppen, eins, zwo, eins, zwo, das volle Programm. Befehligt von Kommandanten, besoffen bis zum Verlust der Muttersprache.
    Sehr bald kam ich dahinter, wie man sich dem bizarren Kriegsspiel in der Eiseskälte entzieht: Du erfindest ein Leiden und meldest dich krank. Oh, mir tut alles weh, ahh. Das ging eine Zeit lang gut, dann enttarnten sie mich als Simulanten, um mich umgehend extra schlecht zu behandeln. Ein singendes Ungeziefer, zertretet es, schnell! Hab ich mir gedacht, ich muss das gescheiter anstellen.
    An einem Freigang-Wochenende habe ich sofort einen Freund heimgesucht, den Dietmar Gössweiner, genannt Dizi, der sich später übrigens als Autor mit dem Mädchen Marihuana und noch ein paar anderen Liedtexten hervortat. Bei diesem hochanständigen Burschen, der damals Medizin studierte, setzte ich meine Recherchen an. »Was muss mir wehtun, damit ich denen auskomm’?«
    Doktor Dizi wusste Rat: »Du sagst, du hast es an den Nieren, da können sie nichts machen.«
    Bevor ich meine organischen Beschwerden zum Vortrag bringen konnte, war die Grundausbildung vorbei und ich wurde in die Albrechts-Kaserne im Prater zum Kommandobataillon versetzt. Das klingt sehr hochtrabend, heißt aber nichts anderes, als dass du jeden Tag dein Kommando kriegst. Ich war grundsätzlich Pionier, also einer von denen, die Brücken bauen. Es sind aber keine Brücken gebaut worden. Man hat bloß die herausragenden Fähigkeiten jedes Einzelnen erkannt und sie für das Heer genutzt. Der Alfred Komarek, so kombinierten sie, war als Schriftsteller vermutlich des Schreibens mächtig, also prädestiniert für die Schreibstube. Ich war als Bühnenkasperl völlig für den Hugo, also hätte ich bei den Brücken geholfen, wenn man welche gebaut hätte. Es ist mir natürlich etwas im Weg gestanden, dass sie wussten, wer ich bin. Meine Karriere war schon so weit gediehen, dass man mich immer seltener mit dem Hofa verwechselte und als eigenständige Person wahrnahm. Mit Sängern waren sie generell ein bissel ratlos, bis einer so was wie einen Einfall hatte: »Du gehst jetzt Häusln putzen.« Und nachher: »Stubendienst.« Stubendienst heißt, dass du deine drei Hemden und deine zwei Hosen zum fünfzehnten Mal zusammenlegst, das Bett machst und auf den Angriff einer feindlichen Macht wartest.
    Weil keine gekommen ist, wurde ich Assistent in der Kantine, außerhalb vom Stacheldraht sagt man Kellner dazu. Die Unteroffiziere krochen schon um zehn, elf am Vormittag an und bestellten bei mir ihr erstes Seidl. Ich habe sie unterhalten,

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