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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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Geschäft nur warmes Bier und Rotwein gab. Außerdem etwas, das sie als Käse einstuften, und dazu Brot. Diese Bedürfnislosigkeit von damals hätte ich manchmal gern zurück. Das Unbeschwerte, wenn sich der Raum krümmt und jeder Morgen nur der Beginn einer endlosen Zeitschleife ist. Der Einstein hätte uns das sicher erklären können. Aber wir fanden, das einzigRelevante in dieser Relativität war, dass die Sonne schien und uns eine nahtlose Haselnussbräune auf die Haut brannte. Wir haben die Freiheit erlebt. Und gevögelt, dass es nur so gestaubt hat.
    Zwei Wochen später sind wir bleischweren Herzens von dort weg, überließen den Tomatenzüchter seinem eigenen Liebesleben und krachten gleich in der nächstliegenden Ortschaft in ein Volksfest hinein. Dort habe ich zum ersten Mal griechische Live-Musik gehört.
    Leser: »Ambros auf Griechisch.«
    Wenn ich so was von der Lautstärke her jemals zusammenbringe, kannst du Sie zu mir sagen. Nach einer Schrecksekunde, wo du glaubst, das hältst du auf keinen Fall aus, sitzt du dort, hast plötzlich eine Hand auf der Schulter, stehst schon in der Mitte einer Reihe von Männern, tanzt Sirtaki und saufst und saufst und saufst, bis dir alles wurscht ist. Wir sind dort in einem grauenhaften Zustand aufgebrochen, ich hab alle Schlaglöcher doppelt gesehen und vierfach im Kreuz gespürt. Fahr einmal so einen Berg hinunter. Die Straße war unbeschreiblich, wie nach einem Luftangriff. Ich schaffte es, den Gruben auszuweichen, in denen ein Kind hätte spielen können. Irgendwo in Bulgarien wurde es besser, der Kopf, nicht die Schlaglöcher. Ein paar Tage und halb Europa später war der Alkohol verbrannt, vom Gleichmut beseelt, kamen wir in Wien an.
    Nach meiner Rückkehr war ich taub. Vom Tuckern des Motors, aber auch generell. Der Kommunikationsfluss glich damals einem Stausee. Oben auf dem stehenden Gewässer schwammen die Neuigkeiten, die dich mit fundamentaler Wucht überschwappten, wenn irgendwer die Staumauer einriss. Wir waren vom Geschehen abgeschnitten gewesen. Was sich während meiner Abwesenheit zugetragen hatte oder nicht, entzog sich meiner Kenntnis. Die Zwischenzeit war ein weißer Fleck. Der bald ziemlich bunt wurde. Was mir aus dem Stausee entgegenfloss, waren Anfragen für einen Haufen Konzerte, die einen richtig heißen Herbst versprachen.
    Im Arrangement meines Lebens fehlte allerdings ein Puzzlestück,das ich vollkommen verdrängt hatte: der Wehrdienst. Irgendwann vor dem Urlaub war es dem Grafen Friedberg, meinem obersten Boss von der Amadeo, gelungen, einen Aufschub herauszuschinden. »Der Mann ist unabkömmlich, den brauchen wir.« Mit dem Ergebnis, dass ich gleich ein Jahr zurückgestellt worden war, wie das so schön heißt. Nun war meine Zeit abgelaufen, die Schonfrist verstrichen. Man teilte mir mit, es sei jetzt so weit. Wolfgang Ambros muss einrücken. Was extrem ungelegen kam. Überhaupt und nicht zuletzt, weil der Anschluss, den wir nach dem Hofa mit Kagran probieren wollten, nicht funktioniert hat. Ich hatte keine Zeit, die Single zu promoten, sie ist sang- und klanglos untergegangen.
    Und dann haben sie mich in eine Kompanie gesteckt. Was niemand ahnen konnte, war die Tatsache, dass genau dort, wo ich Habt Acht stehen sollte, eine Seuche ausbricht und ich mittendrin in der Quarantäne-Zone. Denk ich mir: Super, das Bundesheer ist infiziert.

6
Der Rhythmus der Rebellion
    Es war ein Einrücken ohne Gewähr. Normalerweise lernst du beim Bundesheer: Hier darfst du nicht heraus. Das Erste, was ich dort erlebte, war: Hier darfst du nicht hinein.
    Als Karl Ferdinand Lütgendorf zum Oberbefehlshaber des Militärs, also zum Verteidigungsminister, ernannt worden war, hatte ihn sein Vater angerufen und gesagt: »Ich schäme mich. Denn du dienst keinem Kaiser, sondern einer Republik.« Kann man sich vorstellen, wie’s in der Familie zugegangen ist. Jedenfalls, Minister Lütgendorf zog den Säbel der Sauberkeit aus der Scheide und verkündete, er wolle in Österreich all diese Dreckspatzen, Sandler, Drückeberger, Tachinierer und Taugenichtse einziehen, ratzfatz. Also Künstler wie mich. Unter diese »Aktion scharf« fielen auch Leute wie der Schriftsteller Alfred Komarek oder der Journalist Helmut Zwickl. Manche waren weitaus älter als ich, das heißt, sie konnten sich länger drücken. Aber die Wehrpflicht holte uns ein wie ein Fluch.
    Unsere Truppe war eher die Parodie einer Kompanie. Ein Vexierbild im Zerrspiegel des Exerzierens. Lauter Che Guevaras,

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