Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
Vom Netzwerk:
gekommen. Von da an war klar, es ist was dran am Watzmann.
    Und dann brauchten wir einen Urlaub, die Christl und ich. Ein Wort, das ich bis dahin nicht kannte: brauchen. Man brauchte keinen Urlaub, man nahm sich einen. Ich war zwanzig, die Christl ein Jahr älter, an sich hatten wir Energie für drei Leben, und damals stöhnte auch sonst niemand und hörte ein Burn-out im Gebälk knistern, wenn er ein paar Monate einmal nicht auf Urlaub war. Ich hatte die vergangenen Monate überhaupt keinen freien Tag gehabt und ein bissel Auslauf erschien mir nur gerecht.Obendrein waren wir verliebt bis über beide Ohren, ich habe keine andere angeschaut damals, sie vorderhand auch nicht. Jetzt wollten wir uns einmal die Sonne aufs junge Glück scheinen lassen. Die Sonne Griechenlands.
    Mitte Juli fuhren wir los, in Christls Limousine, einem graublauen VW Käfer 1300. Ich immer noch ohne Führerschein, wann hätte ich den auch machen sollen seit meinem Grappa-verhangenen Zwischenspiel bei den Hofers in Südtirol. Unsere Landkarte war eine Serviette, auf der uns eine Model-Kollegin von der Christl, die schon auf dem Campingplatz dort war, den Weg nach Palzi aufgezeichnet hatte. Allerdings kamen wir nie dort an. Sondern in Potistika, ebenfalls auf der sagenumwobenen Halbinsel Pilion zwischen Athen und Thessaloniki. Ohne Campingplatz, aber noch viel schöner.
    Die griechische Mythologie hat eindrucksvolle Fußstapfen hinterlassen am Pilion. Kurz nach Saloniki rollt man schon einmal am Olymp vorbei und hat, insbesondere in einem Käfer und dem damaligen Zustand der Straßen, ein paar Stunden Zeit, sich auf die einstige Heimat der Zentauren vorzubereiten. Man erreicht sie durch Volos, einen Hafen, der die Hauptstadt der Präfektur Magnesia ist und gleichzeitig das Tor zum Pilion. Von dort brachen einst Jason und die Argonauten zur Suche nach dem Goldenen Vlies auf. Und sie könnten dieselben Sandstrände, Buchten und Wälder des Pilion-Gebirges gesehen haben, die jeder, den es in die Gegend verschlägt, noch heute vorfindet.
    Das Gebiet hat sich die Ursprünglichkeit bewahrt, die es hatte, seit Cheiron hier den Achilles erzog. Man nennt den Abschnitt auch die Toskana Griechenlands. Auf uns wirkte es wie eine Art griechisches Waldviertel. Mit dem kargeren Charme der Inseln des Landes hat das üppige Grün, das da der Erde entsprießt, nichts zu tun. Pilion ist das andere Griechenland, das man sich nicht zusammenfantasieren kann, wenn man es nicht erlebt. Aus heutiger Sicht waren die Christl und ich Individualtouristen, damals waren wir Wilde. Wir lebten wie Eingeborene, nackt in der Erscheinung und geil von der Gesinnung.
    Mit dem Käfer waren wir für unser Empfinden bis ans Ende der Welt gereist. Und das war genau nach unserem Geschmack. Es gab nichts. Keine Spur von Zivilisation, bloß Dickicht, Busch und Sand. Wir kämpfen uns mit dem graublauen Schrotthaufen durch die Wildromantik bis vor an den Strand, legten uns schlafen und wachten im Wasser wieder auf. Wir kapierten es nicht gleich, aber das Phänomen war durchaus erklärlich: Die Flut hatte uns überrollt. Der Käfer ist mehr als ein Auto, aber es ist kein Amphibienfahrzeug. Wenn der im Schlamm steckt, steckt er lange. Und tief. Ich probierte es mit Anfahren, mit Schaukeln, mit Schieben, mit Anschreien. Aber der Käfer blieb bockig und ruhte in seinem Wasserbett. Wie ein Insekt, das sich in Frieden aufgegeben hat.
    Stunden vergingen. Die Sonne stand grell am Himmel, ein Flummi aus brennendem Magnesium. Die Christl neben mir, wie Gott sie schuf, ich hatte die Hosen auch nicht an, auf einmal raschelte es im Gebüsch. Ich erinnerte mich kurz an die Episode mit dem Tollkirschen fressenden Wildschwein in meiner Kindheit, aber das war kein Eber, das war ein Tomatenzüchter. Der Grieche half uns aus der Patsche, mit einem Traktor. Ich kletterte derweil auf einen Felsen und entdeckte das Paradies. Der ideale Platz, um das Genuine zu erleben. Die unverfälschte Reinheit der Natur. Vierzehn Tage und vierzehn Nächte waren wir Adam und Eva, wenn auch zwischengeschlechtlich mit mehr Vergangenheit.
    Zwischengeschlechtlich ließen wir es in Potistika auch zu zweit rundgehen. Der Tomatenzüchter kam hin und wieder spechteln, es muss für ihn so gewesen sein, wie sich andere einen Pornofilm einlegen. Soll er schauen, dachten wir uns, so was übt ja mitunter auch einen gewissen Reiz aus. Außer Liebe und Luft brauchten wir nicht viel. Was günstig war, weil es etwas weiter in dem einzigen

Weitere Kostenlose Bücher