Wolfgang Ambros - Die Biografie
angerufen und gesagt: Komm heute Nachmittag in die Fabrik.«
Irgendwie war damals die Idee entstanden, dass wir nicht im Chor singen, sondern jeder von uns jeweils eine Strophe. Und genau das schwebte mir auch jetzt vor. Um die Sache vernünftig aufzusetzen, müsste man eine eigene Band zusammenstellen und ein Programm austüfteln. Der Rainhard hörte aufmerksam zu, der Georg sagte zu allem Ja und Amen und auf einmal lag das Grundkonzept von Austria 3 auf dem Tisch. Die Namensgebung rührt von diesen filterlosen Zigaretten her, die die Tabakwerke bis Ende der Fünfziger unters Volk gebracht hatten. Die Dreier, schwere Beuschelreißer, die man seinerzeit im Packerl, aber auch einzeln kaufen konnte. Hat irgendwie gepasst auf uns.
Am 10. Dezember 1997 spielten wir im Theater an der Wien für die Obdachlosen. Eine gewagte Form von Benefiz. Jeder Künstler tritt irgendwann für einen guten Zweck auf, aber Sandler sind noch einmal etwas anderes als hungernde Kinder. Eine Charity für Leute, die in den Augen vieler nur Tachinierer sind, die nicht hackeln wollen, stößt nicht überall auf Verständnis. Die Veranstalter waren durchaus skeptisch, aber es war ein voller Erfolg. Für die Obdachlosen und für uns. Und dann haben wir weitergemacht.
Zu den ersten Sessions trafen wir uns beim Rainhard in seiner Finca auf Mallorca und jeder hatte so seine Befürchtungen im Gepäck. Der Georg hatte Angst, dass wir diese vier Tage in der Sonne verplempern. Der Rainhard hatte Angst, der Georg kommt als die strenge Tante angereist, und hat sich gleich einmal in sein Zimmer verzogen und unsere Lieder geübt. Ich bin Golf spielen gegangen, weil ich mir gedacht habe, ich weiß schon, wie das allesgehen wird, die andern zwei sind die, die sich das erst noch erklären müssen.
Bei den Proben in Purkersdorf haben wir dann ausprobiert, wie wir Rudel Alphawölfe unsere Reviere abstecken würden. Besonders der Georg war misstrauisch. Und der Ulli Bäer, unser Kapellmeister, der drei Superstürmer in der ersten Reihe hatte und dahinter eine aus den besten Musikern dreier Frontmen zusammengestoppelte Band. Die Ménage à trois hat funktioniert. Und zwar so gut, dass wir nach unserem Auftritt auf der Donauinsel mit dem ersten Live-Album einunddreißig und dem zweiten neunzehn Wochen lang die Charts anführten und zehn Jahre lang bis zu fünfzehn Konzerte vor nie weniger als, fünf-, sechstausend Leuten gaben.
Zwischendurch habe ich mich kurz einmal mit dem Auto überschlagen. Auf dem Weg runter von meiner Hütte in Waidring. November, Schneefahrbahn, ein gemeiner Nebel. Ich schleiche mit meinem Pajero die Bergstraße hinunter, auf dem Beifahrersitz ein Freund, der Richard, und auf einmal steht da ein Reh vor mir. Ich reiße das Lenkrad herum und schrremp, der Wagen neigt sich, als würde er sich’s noch überlegen, zur Seite und fällt schließlich in den Graben. Dreimal rotiert er um sich selber und bleibt liegen. Auf dem Dach.
»Bist du noch da?«, frag ich den Richard.
Ein Schnaufen. »Ja, ja, geht schon noch, geht schon noch.«
Wir krochen aus dem Auto raus, kämpften uns den Berg hinauf und gingen zurück zur Hütte. Mühsam machte ich Feuer, mir war so kalt, dass ich meine Hände eine Stunde lang nicht mehr spürte. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns ins Bett zu legen, runter konnten wir ja nicht. Wir kuschelten uns aneinander wie ein Liebespaar und hofften, eng umschlungen, dass wir nicht erfrieren. In der Früh habe ich die Prellungen gespürt und damit jeden Knochen, dem Richard ist es nicht besser gegangen. Wie ein Greis humpelte ich den Berg hinunter und holte Hilfe. Der Wagen war, nun ja, nimmer schön. Noch nach Wochen hat es mir bei jedem Atemzug einen Stich in die Rippen gegeben.
An sich bin ich ein zacher Hund, aber etwas auf dieser Welt hat mich wirklich fast umgebracht.
Leser: »Die Frauen.«
Nein, es war nur eine: meine Freundin Malaria. Ich lernte sie in Südafrika kennen. Sie ist mir immer wieder begegnet, aber das erste Zusammentreffen war das heftigste. Die erste Malaria, dagegen kannst du alle anderen vergessen. Nur die erste ist wirklich hart, und sie ist zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt aufgetreten, nämlich mitten im afrikanischen Nirgendwo.
Die Margit und ich hatten uns ein Wohnmobil genommen und sind von Kapstadt aus Richtung Kwa Zulu-Natal bis zum Krüger-Nationalpark gefahren. Zwei Millionen Hektar Erlebnis. Artenvielfalt, dass du es dir im Kopf nicht ausrechnen kannst.
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