Wolfgang Hohlbein -
erbeuteten Schwert beiseite zu schlagen. Die Klinge vollführte einen zitternden Bogen, und plötzlich schrie der Soldat gellend. Blut spritzte auf, ehe er zu Boden stürzte.
Katrin blickte um sich. Die Klinge in ihrer Hand war blut-verschmiert. Die Waffe war so schwer, daß sie Mühe hatte, sie mit nur einer Hand zu halten. Zudem plagten sich Theowulf und die drei anderen Soldaten wieder auf, und auch Bresser und die anderen hatten ihre Überraschung überwunden und stürzten wie ein Mann vor.
Katrin schwang das Schwert in einer weit ausholenden, kraftvollen Bewegung, die ihr für einen Moment Luft ver-schaffte, denn die Angreifer wichen erschrocken vor dem sausenden Stahl zurück. Katrin vollführte einen zweiten, ungeschickten, aber sehr kraftvollen Schlag, war mit einem Schritt bei dem verwundeten Krieger, der wimmernd am Boden lag. Blindlings schleuderte sie das Schwert nach einem der Männer, die auf sie eindrangen, hob mit der linken Hand die brennende Fackel auf und zerrte mit der anderen den Dolch aus dem Gürtel des Kriegers. Mit einer blitzartigen Bewegung fuhr sie herum, ließ sich neben Pretorius 391
auf die Knie fallen und setzte die Messerspitze an seine Kehle.
»Keinen Schritt weiter!«
Die Männer erschraken. Ein einzelner, schimmernder Bluts-tropfen lief wie eine Träne am Hals des Abtes herab. »Keinen Schritt weiter!« wiederholte Katrin. »Oder ich töte ihn!«
Ihr Blick irrte unstet über die Gesichter der Männer, die einen dichten Halbkreis um sie bildeten, es aber nicht wagten, näher zu kommen. Sie befand sich in der Lage eines in die Enge getriebenen Tieres, das nichts mehr zu verlieren hatte. Und sie war fast verrückt vor Angst. Eine einzige falsche Bewegung und sie würde Pretorius töten.
»Du bist verrückt!« sagte Theowulf, der als erster seine Fassung wiederfand. »Damit kommst du nie durch!«
Er hob die Hand, und sofort verstärkte Katrin den Druck der Messerspitze auf Pretorius' Hals. Zu dem ersten Bluts-tropfen gesellten sich ein zweiter und dritter, bis ein dünner Strom den Hals des alten Mannes besudelte.
»Zurück!« sagte Katrin. »Geht zurück! Sofort!«
Einen Wimpernschlag lang reagierten die Männer nicht auf ihre Worte. Dann hob Theowulf ganz langsam die
Hände und machte zwei, schließlich drei kleine Schritte rückwärts.
»Bitte, tu das nicht«, sagte Theowulf beschwörend. »Du machst doch alles nur noch schlimmer.«
Pretorius stöhnte vor Schmerz. Er hatte die Augen
geschlossen und zitterte am ganzen Leib. »Tötet sie«, flüsterte er. »Tötet die Hexe! Nehmt keine Rücksicht auf mich!«
Niemand rührte sich. Auf den Gesichtern von Telarius und Stephan machte sich Verzweiflung breit, während Theowulf offenbar darüber nachdachte, wie er Katrin überwältigen konnte, ohne daß sie Gelegenheit fand, den alten Mann vorher zu töten. »Leg das Messer weg, Katrin. Laß ihn gehen, und ich verspreche dir, daß ich dir helfen werde.«
Katrin machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten. Sie sah sich gehetzt um, verlagerte ihr Gewicht ein wenig und zog die Messerklinge ein winziges Stück zurück, als Pretorius zu wanken begann.
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»Ist jemand hinter mir?« fragte sie. Niemand antwortete, aber es mußte Katrin klar sein, daß sie eingekreist war. »Sie sollen gehen«, fuhr sie fort. »Ich will euch alle sehen. Alle!
Und versucht nicht, mich zu hintergehen. Ich weiß, wie viele ihr seid.«
Graf Theowulf sah sie einen Moment abschätzend an.
Aber schließlich nickte er, und die Männer traten hinter ihren Grafen.
»Ich werde jetzt gehen«, sagte Katrin und zwang Pretorius aufzustehen.
»Das wirst du nicht!« antwortete Theowulf ruhig.
»Ich werde jetzt gehen«, wiederholte Katrin stur. »Und ich verlange eine Stunde Vorsprung. Ich werde diesen Mann mit mir nehmen, und ich werde ihn töten, wenn ich auch nur vermute, daß ihr mich verfolgt.«
»Bringt sie um«, stöhnte Pretorius. »Ich befehle es!«
Katrin bewegte die Messerspitze blitzschnell und brachte dem alten Abt eine zweite Wunde bei. Die beiden Männer, die ihre Waffen erhoben hatten, um Pretorius' Befehl auszuführen prallten erschrocken zurück.
»Eine Stunde!« wiederholte Katrin. »Das ist nicht zuviel verlangt für das Leben eines Abtes.«
Theowulf starrte sie haßerfüllt an. »Du wirst mir niemals entkommen«, sagte er dumpf. »Selbst wenn du ein Jahr Vorsprung hättest, würde ich dich finden. Gib auf, und ich verspreche dir, dir zu helfen.«
»Willst du mir die
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