Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Renate.
»Und die Asylanten wissen, was sie machen sollen?«
»Die brenne scho vor Ungeduld«, versprach Erich.
»Gut«, befand Heinz-Günther und trommelte nervös auf seinem Schwert herum, das an seinem Gürtel befestigt war.
»Dann brauch i bloß no mein’ Zettl.«
Er tastete seinen Umhang nach dem Stück Papier ab, auf dem die Worte, die er anschließend zu sprechen gedachte, aufgeschrieben waren. Doch die Rede blieb unauffindbar.
»Verflucht, wo ist mei Zettl?«
»Avanti, avanti«, scheuchte Pierre die in einer Ecke kauernden Gefangenen auf. »Los, Aufstellung. Ihr seid dran.«
Murrend und mit gesenktem Kopf folgten sie dem Befehl. Die Ketten, an denen sie arretiert waren, zogen sie klirrend hinter sich her. Allerdings liefen die Glieder nicht mehr durch die starre Handschelle am Arm, sondern sie hielten sie versteckt in ihren Händen fest.
»Renate!«, rief Pierre Hilfe suchend. »Renate! Wo steckst du denn schon wieder? Muss ich hier denn alles alleine machen?«
Renate kam aus dem Dunkel zu ihm gerannt. »Bin scho da.«
»Sind die Feuerwerker in Position?«, fragte Pierre.
»Haben sich an der Mauer aufgebaut.«
»Gut. Das muss ein rauschender Auftritt werden. Hörst du? Da darf nichts schief gehen. Wenn der König einreitet, muss der Himmel leuchten.«
»Das wird er. Bestimmt.«
»Wo sind die Fackeln?«
»Liegen im Feuer beim Tor. Wenn die Gefangenen durchgehen, nimmt sich jeder eine.«
»Und die brennen auch alle schon?«
»Garantiert.«
»Gut. Dann brauchen wir jetzt nur noch das Pferd und den Böller.«
Pierre rief nach einem Pferdeknecht, der dem wartenden König Ludwig das Ross zuführen sollte. »Wo ist der Gaul?«
»Kommt schon«, rief es von der Pferdeschwemme her.
»Wo ist der Böller?«
»Bin bereit«, rief ein Kanonier, der das Geschütz auf das Scherenbergtor ausgerichtet hatte.
»Gut, gut, gut. Jetzt brauchen wir nur noch den Einsatz. Wie weit sind wir im Hof?«
»Die letzten Franzosen werden gerade gemeuchelt«, antwortete Renate.
»Fein. Das ist gut so.« Zu König Roiber gewandt: »Majestät, wir sind jetzt so weit. Bitte besteigen Sie Ihr Pferd.«
Der König stieg auf einen kleinen Holzbock, der ans Pferd herangerückt worden war, und schwang sich übermütig in den Sattel. Ein Helfer legte den Hermelin zurecht und drückte Roiber den Regentenstab der bayerischen Könige in die Hand.
»Das Glück der Welt liegt auf dem Rücken eines Pferdes«, sagte der König stolz und gab dem Pferd die Sporen.
Pfeilgrad raste der Gaul in Richtung Ausgang, anstatt auf die Brücke zu. Der Hermelin flatterte im Wind, und der Regentenstab wedelte wie der Arm eines Rodeoreiters.
»Majestät!«, schrie Pierre ihm hinterher, »Nicht da lang,
hierher.«
Zum Glück standen am Ausgangstor des Echter Vorhofes Schauspieler, die Pferd und Reiter vor dem wagemutigen Ritt in die Stadt aufhalten konnten. Geschickt griff einer in die Zügel, drehte den Gaul samt König um und führte ihn zurück.
»Da haben Sie mir aber einen Schrecken eingejagt, mein König«, sagte Pierre erleichtert.
»Ein Test. Ich wollte nur mal sehen, ob das Pferd auch meinen Ansprüchen genügt«, antwortete Roiber von oben herab.
Die Brille hing ihm allerdings schief von der Nase, und die Silbermähne stand wie ein Kamm zu Berge. »Was halten Sie von meinem Streitross? Ist es eines Königs würdig?«
»Ihr Auftritt wird ganz unvergesslich bleiben«, versicherte Renate.
»Wir sind so weit«, sagte Pierre und lief zum Kanonier hinüber. »Aufstellung. Alle bereitmachen. Es geht los.«
Renate gab Heinz-Günther und Erich ein Zeichen, aus dem Dunkel hervorzukommen. Die Gefangenen Hakan und Murat gingen am Tor in Position und fassten jeweils ein Ende des Seiles. Das Fenster über ihnen öffnete sich, und Ahmed hob das Fass an.
»Böller!«, befahl Pierre und hielt sich die Ohren zu.
Der Kanonier zündete das Geschütz. Mit einem Knall schleuderte es Papierschnitzel hinaus in den Burghof. Vorbereitete Ladungen zündeten, und Pappmache-Steine flogen durch die Luft, als hätte das Geschütz das Tor gesprengt. Der bayerische Defiliermarsch dröhnte programmgemäß aus den Lautsprechern, und Roibers Pferd bäumte sich auf, als wollte es wie der Blitz davon. Mit aller Mühe bändigte der König das vierbeinige Pulverfass unter seinem Hintern und bugsierte es in Richtung Tor.
»Durchs Tor, durchs Tor«, schrie Pierre, der herangelaufen kam und dem König die Richtung wies.
»I woas, zefix. Aber der blede Gaul net«,
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