Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
der Hund morchen nach Wörzbörch künnt, dann sollte mir ihm den Besuch unvergesslich mach’.«
Heinlein hatte Walter auf dem Marktplatz eingeholt und stellte ihn besorgt zur Rede: »Also, was is’n los mit dir? Du warst scho den ganz’n Abend so komisch. Is was passiert dahem?«
»Na«, antwortete Walter und ging missmutig weiter.
»Is dir die Fraa davo?«
»Na, verflixt. Jetzt lass mir mei Ruh.«
Heinlein stellte sich ihm in den Weg und forderte ultimativ Aufklärung. »Ham’se di bei der Zeitung ’nausgschmiss’n?« Walter schaute ihn wortlos an und wollte sich an ihm vorbeidrängen, doch Heinlein stand wie ein Fels.
»Es hat nix … na ja, fast nix mit der Zeitung zum tun«, begann Walter seine Beichte, »es is viel schlimmer.« Walter stockte und suchte nach dem richtigen Einstieg. »Ich war net ganz ehrlich zu euch …«
»Macht doch nix. Wer is scho immer ehrlich?«
»Du verstähst mi net. Des mit dem Verräter … da hat der Erich net ganz Unrecht.«
»Ja, so a Schmarr’n. Der is doch b’suff’n. Der meent des gar nit so.«
»Doch, und er hat Rächt. Ich bin ein Verräter, und es wird net lange mehr dauern, bis das alle Welt wäs …«
»Was redest du da für a Zeuch? Die Aschaffeburcher sin doch genauso Franken wie mir. Also …«
»Schorsch«, fuhr Walter ihn an, »du verstehst mi net. Ich bin werkli eener. Und des hat nix mit Aschaffeburch zu tun, sondern mit Deutschland. Ich hab jahrelang für die Stasi spioniert. Verstähst’d? Für die Staatssicherheit, für den Mielke und Konsorten.«
Heinlein verschlug es die Worte. Zögernd fragte er: »Für die Stasi? Was hast du mit denna zu tun? Du bist doch bloß …«
»Eben. Genau deswegen war ich der Richtiche für die. Ich war ein kleines Licht, als ich bei der Zeitung ang’fange hab. Als ich dann über die G’schicht am Giebelstädter Flugplatz berichtet hab, sind sie auf mich aufmerksam wor’n …«
»Und?«
»Es war net einfach, damals. Ich hab a Wohnung gebraucht, mei Fraa hat des erschte Kind kriecht … und so kam eens zum annern. Auf jeden Fall ham’se mir angebot’n, dass sie mir a weng behilflich sin, und dafür sollte ich für sie a weng was mach’.«
»Was war des?«
»Sie hatten den Flughafen scho lang im Auge g’habt, weil von dort die ersten Maschine aufgestiegen sin, wenn an der Grenze was passiert ist. Auf jeden Fall gab’s doch damals des G’schiss mit dene Erschtschlagswaffen, und der Stahl und der Engelhardt ham sich dafür eingesetzt, dass die verschwinden. Auf der anderen Seite gab’s die zwei Professoren an der Uni, die dafür plädiert ham, dass die Raketen bleiben. Meine Aufgabe war es, die öffentliche Meinung so anzufachen, dass Stimmung gegen die Stationierung aufkam und dass die Raketen verschwinden.«
»Wo ist das Problem? Du hast einfach deinen Job gemacht.«
»Mehr oder weniger. Mei’ Berichterstattung hat sich konkret gegen die Stationierung gerichtet, obgleich es, im Hinblick auf die konventionelle Überlegenheit der Russen, gute Gründe gab, dass die Raketen bleiben. Sei’s wie’s will, ich hab gegen die Raketen g’schrieben und für den Stahl und den Engelhardt. Und a paar Mark sin a g’floss’n. Danach hatten sie mich in der Hand. Immer öfter sollte ich ihnen Informationen über alles, was sich im Bereich um Würzburg tat, beschaffen. Ich hab mich damals einfach nicht getraut, nein zu sagen und einen Schlussstrich zu ziehen.«
»Wie lange hast du das gemacht?«
»Bis zum Ende. Bis der ganze Apparat aufgeflogen war.«
»Dann ist doch alles in Ordnung. Die Stasi ist Geschichte und somit auch dein Engagement für sie.«
»Eben nicht. Diese verdammten Rosenholz-Dateien sollen morgen übergeben werden. Und ich werde da drin sein. Verstehst’d? Mein Deckname und mein Klarname werden da drin stehen. Walter Kornmüller alias IM Keiler. Das ist eine Schlagzeile und mein Ruin. Mit Schimpf und Schande werd ich aus der Zeitung fliegen. Vom Staatsanwalt ganz zu schweigen …«
»Aber der hat doch selber Dreck am Stecken.«
»Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. So war es immer, und so wird es immer sein.«
»Walter, Walter«, stöhnte Heinlein. »Was hast du da bloß wieder ang’stellt …«
Renate beugte sich nach vorn und befahl Heinz-Günther und Erich, es ihr gleichzutun. Sie steckten ihre Köpfe zusammen und hörten, was Renate Neues zu berichten hatte: »Dann hört mir jetzt mal zu. Ich kann euch nämli was verzähl: Ich hab e neue Aufgab
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