Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)
Nähe; kurz vor der Morgendämmerung heulten sie noch einmal ein bis zwei Kilometer entfernt. Bei Tageslicht entdeckt Trottier, dass nachts mehrere Wölfe sein Lagerfeuer umkreist und auch den Kadaver des toten Wolfes besucht hatten. Das tote Tier war ein Jungwolf; ein weiterer toter Jungwolf lag in der Nähe. Die Untersuchung ergab später, dass die Tiere an Lungenentzündung und Staupe gestorben waren.
Dieser Fall enthält viele Verhaltenselemente, die oft von Wölfen gezeigt werden, die eine Höhle oder einen Rendezvousplatz verteidigen. Entweder sie verteidigten die toten Jungtiere, oder sie beschützten noch andere kranke oder schwache Familienmitglieder in der Nähe. Die Tatsache, dass beide Wölfe an einer Krankheit verendet waren, lässt vermuten, dass sie schon einige Zeit stark geschwächt dort gelegen hatten, bevor sie starben. Das könnte zum Verteidigungsverhalten des Rudels beigetragen haben.
Während ihrer Feldstudien müssen Biologen gelegentlich tote Beutetiere untersuchen. Normalerweise werden diese Kadaver von Wölfen nicht verteidigt. Ihr Verhalten im folgenden Fall könnte sowohl an der Frische der getöteten Beute als auch an der Tageszeit liegen:
Great Falls, Manitoba, 1990
Im November 1990 stellte Stuart Jansson an einem Flussufer im südöstlichen Manitoba Bisamratten-Fallen auf. Als es dunkel wurde, kehrte er zu seinem Auto zurück und entdeckte, dass ein Wolf kurz zuvor auf dem Eis ein Reh getötet hatte. Schleifspuren wiesen darauf hin, dass der Wolf seine Beute ins Unterholz gezogen hatte. Jansson folgte den Spuren. Als er sich dem Gebüsch näherte, hörte er nur etwa fünf Meter von ihm entfernt ein lautes Knurren. Wegen der einbrechenden Dunkelheit war nicht viel zu sehen, und Jansson zog sich sofort auf die offene Lichtung zurück. Am nächsten Tag kam er wieder zu derselben Stelle und entdeckte, dass das ganze Gebiet mit Spuren von vier bis fünf Wölfen buchstäblich übersät war. Ein paar verstreute Haare und ein Stück des Unterkiefers waren alles, was von dem Reh übrig geblieben war. Anscheinend war der Trapper in der Nacht zuvor direkt zu einem Kadaver gelaufen, und ein Wolf, der seine Beute verteidigt hatte, statt sich zurückzuziehen, hatte ihn angeknurrt.
In einem ähnlichen Fall habe ich persönlich andere Erfahrungen gemacht, als ich ein paar Monate lang in Minnesota in einer Wildniscabin mitten im Wolfsgebiet gelebt habe. Dort bin ich immer wieder einmal über frische Wolfsrisse gestolpert. Manchmal habe ich gespürt, wie ich beobachtet wurde, dennoch haben sich die Wölfe mir nie genähert, geschweige denn mich bedroht oder sogar angeknurrt.
Verwechslung/Neugier
Wölfe sind sehr neugierig. Wenn sie nicht gelernt haben, Menschen zu meiden, können sie sich auf Zeltplätze oder sogar in Dörfer wagen, um so neue Gebiete zu erkunden. Finden sie dabei Nahrung, kann dies dazu führen, dass sie immer wieder die Nähe von Menschen suchen. Aber auch wenn sie nichts zu Fressen vorfinden, zerbeißen sie manchmal Schuhe, Zeltausrüstungen oder menschliche Kleidung. Dave Mech und Jim Brandenburg berichten in ihrem Film über die weißen Wölfe von Ellesmere Island, dass diese regelmäßig versucht haben, die Schlafsäcke des Filmteams aus den Zelten zu ziehen, um damit zu spielen. Die Wölfe waren nicht aggressiv und zogen sich sofort zurück, wenn sich Menschen näherten. Viele »Opfer« neugieriger Wölfe werden im Schlaf überrascht, sodass sich am Ende sowohl Mensch als auch Wolf erschrecken. Aber diese Neugier kann auch zu Verletzungen führen, wie in einem der nachfolgenden Fälle.
Algonquin Provincial Park, Ontario, 1994
Am 22. August 1994 zeltete eine Frau mit ihren beiden Teenagertöchtern auf Burnt Island im Algonquin Park, als sie nachts außerhalb von ihrem Zelt ein Geräusch hörte. Sie schaute hinaus und sah im Mondlicht einen Wolf, der ihren Rucksack fortzog. Die Frau zog sich ruhig in ihr Zelt zurück. Der Wolf zerknackte eine Wimperntusche im Rucksack und ließ ihn etwa zwei Meter vom Zelt entfernt fallen, bevor er weglief. Die Zeugin berichtete später, dass sie glaube, dass der Wolf, als er ihre Anwesenheit bemerkte, Angst bekommen hat und darum fortlief.
Tibbles Lake, British Columbia, 1988
Am 23. Juni 1988 schlief ein Mann im Freien hinter einem Wochenendhaus am Tibbles Lake. Gegen fünf Uhr morgens wurde er von einem stechenden Schmerz in der Seite geweckt. Weniger als einen Meter entfernt starrte ihn ein Wolf an. Als der Mann schrie
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