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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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ein Kieslager gebettet. Es kroch in wahnsinniger Angst von dem Wasser hinweg und legte sich nieder. Es hatte von der Welt etwas mehr kennengelernt. Das Wasser war zwar nicht lebendig, aber es bewegte sich dennoch. Es sah so fest aus wie die Erde und besaß doch keine Festigkeit. Also waren die Dinge nicht immer das, was sie schienen. Zwar war seine Furcht vor dem Unbekannten nur ererbtes Mißtrauen, doch nun durch die Erfahrung verstärkt. Darum mußte man fortwährend gegen den Schein auf der Hut sein. Man mußte die Beschaffenheit eines Dinges erst kennenlernen, ehe man sich darauf verlassen konnte.
    Noch ein Abenteuer war ihm für diesen Tag vorbehalten. Es fiel ihm plötzlich ein, daß es eine Mutter habe, und es hatte das Gefühl, daß es sie mehr, als irgend etwas in der Welt herbeiwünschte. Nicht nur war sein Körper von all den durchlebten Abenteuern ermattet, sondern sein kleines Hirn war auch müde. Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte es so schwer gearbeitet wie an diesem einen Tage. Es wollte schlafen, also machte es sich auf, zur Höhle und zur Mutter zurückzukehren, da das Gefühl der Einsamkeit und Hilflosigkeit es zu überwältigen begann.
    Es schritt breitbeinig zwischen den Büschen dahin, als es einen scharfen, drohenden Schrei vernahm. Etwas Gelbliches schoß blitzschnell an seinen Augen vorüber, und es sah ein Wiesel hinwegspringen. Da es nur ein kleines Geschöpf war, so hatte es keine Furcht. Dann erblickte es dicht vor seinen Füßen ein noch viel kleineres Wiesel, ein nur einige Zoll langes Junges, das ebenso ungehorsam wie das Wölflein auch auf Abenteuer ausgegangen war. Es versuchte zu fliehen, und der junge Wolf drehte es mit der Pfote um und um. Es gab drollige, schrille Töne von sich, als abermals der gelbliche Blitz vor den Augen des Wölfleins vorüberschoß. Abermals hörte es den drohenden Schrei, empfing zu gleicher Zeit einen heftigen Schlag am Halse und fühlte die scharfen Zähne der Wieselmutter in seinem Fleische.
    Das Wölflein schrie gellend auf und kroch rückwärts, während es sah, wie das Wiesel auf das Junge zusprang und im nahen Dickicht verschwand. Der Biß am Halse schmerzte, aber tiefer noch war es in seinen Gefühlen verletzt, und es setzte sich hin und winselte kläglich. Das Wiesel war doch nur so klein und dennoch war es so wild. Das Wölflein hatte noch zu lernen, daß ein Wiesel trotz seiner Kleinheit und seines geringen Gewichtes der blutdürstigste, rachsüchtigste und schrecklichste Mörder der Wildnis ist; und diese Erkenntnis sollte ihm bald zuteil werden.
    Es winselte noch, als die Wieselmutter wieder erschien. Sie schoß diesmal nicht auf den Feind los, da ihr Junges in Sicherheit war. Sie näherte sich ihm vorsichtig, und das Wölflein hatte Zeit, den dünnen, schlangenartigen Leib und den hocherhobenen spitzen, ebenfalls schlangenhaften Kopf zu betrachten. Das durchdringende, drohende Geschrei des Wiesels machte, daß dem Wölflein das Haar zu Berge stand, und es knurrte warnend. Aber das Wiesel kam immer näher, endlich machte es einen Satz, schneller als das ungeübte Auge des Wölfleins ihm folgen konnte, und der dünne, gelbe Körper, der einen Augenblick seinen Augen entschwunden war, hing im nächsten ihm an der Kehle, wo die Zähne sich durch sein Fell tief ins Fleisch bohrten.
    Zuerst knurrte das Wölflein und setzte sich zur Wehr, aber es war noch sehr jung, und dies war sein erster Tag draußen in der Welt, und so wurde das Knurren zum Gewinsel, und der Kampf endigte in einem Fluchtversuch. Doch das Wiesel ließ nicht locker; es hielt fest und mühte sich, mit den Zähnen die große Schlagader zu erreichen, wo das Lebensblut kreiste. Denn es sog ja den Tieren das Blut aus, und am liebsten tat es ihnen das bei lebendigem Leibe, und so wäre es mit der Geschichte des grauen Wölfleins aus gewesen, wenn nicht die Wölfin durch das Gebüsch herbeigesprungen wäre. Da ließ das Wiesel die Beute los und schoß blitzschnell der Wölfin an die Kehle. Aber der Sprung ging fehl und traf nur auf den Kinnbacken. Da schlenkerte die Wölfin mit dem Kopf hin und her, wie man mit einer Peitsche tut, wenn man knallen will, und schleuderte dabei das Wiesel hoch in die Luft. Dann fing sie es auf, und ihre Kinnladen schlossen sich über dem dünnen, gelben Körper, und unter ihren zermalmenden Zähnen hauchte das Wiesel sein Leben aus.
    Nun spielte sich eine Szene voll überquellender Zärtlichkeit zwischen der Wölfin und dem grauen Jungen ab. Die Freude

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