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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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feindselig. Er hatte nie mit ihnen gespielt, er verstand darum nur mit ihnen zu raufen, wobei er hundertfach die Bisse zurückgab, die er in den Tagen, als Liplip Führer des Rudels gewesen war, empfangen hatte. Allein, Führer war dieser nur noch insoweit, als er am Ende eines Strickes vor den Gefährten herlief und der Schlitten hintennach stolperte. Im Lager hielt er sich dicht an Mitsah, an den Grauen Biber oder Klukutsch. Er wagte sich nicht von ihnen weg, denn dann waren die Zähne aller Hunde gegen ihn gerichtet, und er kostete die Verfolgung, die er früher Wolfsblut angedeihen ließ, bis auf die Hefe aus.
    Da Liplip als Anführer des Rudels abgesetzt war, so hätte Wolfsblut jetzt seine Stelle einnehmen können. Aber dazu stand er zu einsam und war zu verdrossen. Er strafte nur die Genossen, sonst ließ er sie in Ruhe. Auch gingen sie ihm aus dem Wege, wenn er herankam, und der Frechste unter ihnen wagte es nicht, ihm ein Stück Fleisch zu stehlen; im Gegenteil verzehrten sie den eigenen Bissen hastig, aus Furcht, daß er ihnen davon wegnehmen würde. Wolfsblut kannte gut das Gesetz: Unterdrückung dem Schwachen, Gehorsam dem Starken. Er verschlang seinen Anteil, so rasch er konnte, und wehe dem Hunde, der dann nicht fertig war. Ein Knurren, ein Aufblitzen der Zähne, und bitter beklagte sich der andere bei den gleichmütigen Sternen über seinen Verlust, während Wolfsblut die Portion des Beraubten hinunterschlang. Dann und wann empörte sich einer gegen eine solche Behandlung, wurde aber schnell zum Schweigen gebracht.
    So blieb Wolfsblut in der Übung. Er war eifersüchtig auf die einsame Stellung, die er sich geschaffen hatte, und verteidigte sie. Aber solche Kämpfe waren von kurzer Dauer; er war für die andern zu flink. Sie bluteten, bevor sie wußten, was geschehen war, und waren geschlagen, bevor sie sich noch gewehrt hatten.
    So streng wie die Zucht seiner Herren war auch die, die Wolfsblut bei den Genossen anwandte. Er ließ ihnen nichts durch, er zwang sie zu unablässiger Achtung. Unter sich konnten sie tun, was sie wollten, das ging ihn nichts an, aber sie mußten ihn in seiner Abgesondertheit in Ruhe lassen, ihm aus dem Wege gehen, wenn es ihm einfiel, sich unter sie zu mischen, kurz, seine Überlegenheit anerkennen. Wer es sich einfallen ließ, ihm mit steifen Beinen entgegenzugehen, ihm die Zähne zu weisen oder das Haar zu sträuben, der konnte darauf gefaßt sein, mit unbarmherziger Grausamkeit angegriffen und zur Vernunft gebracht zu werden. Er war ein fürchterlicher Tyrann und seine Macht unbeugsam wie Stahl. Nicht umsonst war er in der Kindheit dem mitleidlosen Kampf ums Dasein ausgesetzt gewesen, als er und die Mutter allein und ohne Hilfe sich durchschlagen und in der feindseligen Umgebung der Wildnis das Leben fristen mußten. Nicht umsonst hatte er gelernt, leise aufzutreten, wenn ein Stärkerer vorüberging. Er bedrückte zwar die Schwachen, aber die Starken respektierte er, und während der langen Reise mit dem Grauen Biber schlich er unter den erwachsenen Hunden im Lager der fremden Indianer, die sie unterwegs trafen, leise umher.
    Die Monate verstrichen. Die Fahrt des Grauen Biber ging immer weiter. Wolfsbluts Kräfte wuchsen durch die unaufhörliche Arbeit langer Stunden vor dem Schlitten, und es sah aus, als ob auch seine geistige Entwicklung zur Reife gekommen sei. Er kannte jetzt die Welt, in der er lebte, gründlich; es war eine öde, materialistische Welt. Ihm erschien sie rauh und roh und ohne Wärme, eine Welt, worin Liebkosungen und Zuneigung und die sanfteren Regungen des Gemüts nicht vorhanden waren.
    Was er für den Grauen Biber fühlte, war keine Zuneigung. Der war sein Herr, aber ein rauher Herr. Wolfsblut erkannte gern seine Überlegenheit an, aber nur weil diese sich auf höhere Klugheit und größere Stärke stützte. Es lag in Wolfsbluts Wesen etwas, das nach einem Herrn verlangte, sonst würde er nicht aus der Wildnis zurückgekommen sein, um sich einem Höhern zu unterwerfen. Es gab in seiner Natur Tiefen, die bis jetzt nie ergründet worden waren. Ein freundliches Wort, eine liebkosende Berührung hätte bis in diese Tiefen dringen können, aber der Graue Biber streichelte ihn nicht, noch sprach er freundliche Worte zu ihm. Das war nicht seine Weise. Seine Überlegenheit zeigte sich dadurch, daß er Gerechtigkeit mit einem Stock austeilte, Übertretungen durch einen Schlag züchtigte, aber das Verdienst wurde nicht durch Güte belohnt, sondern nur dadurch,

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