Wolfsblut
war nun nicht mehr der Fall. Der bloße Anblick Schmitts konnte ihn in Raserei versetzen, und wurde er mit dem Stocke zurückgescheucht, so fuhr er dennoch zähnefletschend zu knurren fort. Nie konnte er zum Schweigen gebracht werden, er knurrte, sosehr er auch geschlagen wurde, und wenn Schmitt ihn verließ, so verfolgte ihn stets das trotzige Geknurr, oder Wolfsblut sprang wütend heulend gegen die Latten des Käfigs.
Als der Dampfer in Dawson ankam, wurde Wolfsblut an Land gebracht. Aber er verblieb weiter im Käfig, zur Schau gestellt und von Neugierigen umringt, und die Leute zahlten fünfzig Cent in Goldstaub, um ihn zu sehen. Nie hatte er Ruhe. Legte er sich zum Schlafen nieder, so störte ein scharfer Stoß mit einem Stock ihn auf, denn die Leute wollten für ihr Geld auch ihr Vergnügen haben, und um die Schaustellung interessant zu machen, erhielt man ihn die meiste Zeit über in Wut. Aber schlimmer als alles andere war die Atmosphäre des Hasses, in der er lebte und die durch die Stäbe des Käfigs zu ihm drang. Er wurde wie das wildeste, das fürchterlichste der Tiere behandelt, und jedes Wort, jede Bewegung der Leute draußen führte ihm die eigene, schreckliche Wildheit zu Gemüte. Es gab fortwährend neuen Brennstoff für dies Gefühl, und das Resultat war, daß seine Wildheit immer mehr zunahm.
Neben diesen Schaustellungen verwendete ihn Schmitt auch als Preiskämpfer. Dann und wann wurde er nachts, um den Augen der Wächter des Gesetzes zu entgehen, in den Wald, ein paar Stunden von der Stadt entfernt, gebracht. Wenn nach einigen Stunden des Wartens das Tageslicht anbrach, strömten die Zuschauer herbei, und es kam der Hund, mit dem er kämpfen sollte. So bekam er Gelegenheit, mit Hunden von jeder Größe und jeder Gattung zu kämpfen.
In einem wilden Lande und unter wilden Menschen endeten solche Kämpfe gewöhnlich mit dem Tode des einen, aber Wolfsblut blieb stets der Überlebende. Er kannte keine Niederlage, dazu wenigstens hatte ihm die Fehde mit Liplip und mit der Meute der jungen Hunde in seiner Jugend gedient. Er hatte dadurch eine solche Geschicklichkeit erlangt, auf den Füßen zu bleiben, daß es keinem Hunde gelang, ihn umzuwerfen. Denn es war der beliebte Kunstgriff dieser wolfsähnlichen Hunde, auf ihn loszustürzen, ihn gegen die Schulter zustoßen und so niederzuwerfen; Hunde vom Mackenzie und aus Labrador, Eskimohunde, Polarhunde und Malemuten, sie alle versuchten den Kniff, aber er mißlang immer. Stets waren Wolfsbluts Beine wie in dem Boden festgewurzelt. Die Leute erzählten einander begeistert davon, und sie warteten jedesmal darauf, daß es anders käme, aber er erfüllte nie ihre Erwartungen.
Was ihm einen so ungeheuren Vorteil über die Gegner gab, war seine schnelle Angriffsweise. Wie erfahren sie auch immer im Kampfe waren, nie hatten sie einen Gegner gefunden, der so flink in der Bewegung war. Außerdem hielt ein gewöhnlicher Hund sich mit Knurren, Brummen und Zähnefletschen auf, während Wolfsblut sogleich zum Angriff überging. Also pflegte man ihn erst loszulassen, wenn der andere mit seinen Plänkeleien fertig war und sich zum Angriff anschickte. Aber Wolfsbluts größter Vorteil war seine unendlich große Erfahrung. Er wußte mehr von den Kunstgriffen und Methoden des Kampfes als irgendein anderer Hund und hatte selber eine Methode, wie sie nicht vortrefflicher sein konnte.
Mit der Zeit wurden die Preisgefechte immer seltener. Die Leute gaben es auf, ihre Hunde aufzuopfern, und Schmitt mußte sich Wölfe besorgen, die er von den Indianern einfangen ließ. Ein Kampf zwischen Wolfsblut und einem solchen zog stets eine große Zuschauermenge herbei. Einmal wurde ihm eine Luchsin gegenübergestellt, und Wolfsblut kämpfte mit ihr auf Leben und Tod, denn ihre Schnelligkeit und Wildheit kam der seinigen gleich, allein sie kämpfte außer mit den Zähnen auch noch mit den Krallen. Nach diesem Kampf hatte Wolfsblut Ruhe. Es gab kein Tier mehr, das sich mit ihm messen konnte; also blieb er bis auf weiteres zur Schau ausgestellt. Im Frühling kam ein gewisser Tim Keenan, der Besitzer einer Spielbank, ins Land. Er brachte die erste Bulldogge, die man je in Klondike gesehen hatte, mit, und es schien unvermeidlich, daß dieser Hund sich mit Wolfsblut messen sollte. Eine Woche lang war darum der Kampf zwischen den beiden das Hauptthema der Gespräche in gewissen Kreisen der Stadt.
VIERTES KAPITEL
Im Rachen des Todes
Schmitt löste die Kette von Wolfsbluts Nacken
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