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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Fell war gelbbraun mit Spuren von Gold und Grau gewesen; seinen Augen hatte etwas Eigentümliches angehaftet, auch wenn ich nicht sagen konnte, wie ich darauf kam. Außer in Büchern und im Fernsehen hatte ich nie zuvor einen Wolf gesehen.
    Ich fuhr an der Abzweigung, die zum See führte, vorbei und weiter geradeaus. Grace’ Haus stand etwa eineinhalb Kilometer entfernt auf einem Hügel, von dem aus man auf der einen Seite Aussicht auf die Berge, von der anderen Aussicht auf den See hatte. Es war schon seit Jahrhunderten im Besitz ihrer Familie, was angesichts der Vorliebe des Staates, den Indianern alles Lohnenswerte abzuknöpfen, ein Wunder war.
    Aber einer von Grace’ Vorfahren hatte die weise Voraussicht gehabt, seinen Besitz einem weißen Freund zu überschreiben, der ihn für ihn verwahrt hatte, während die Cherokee auf den Pfad der Tränen geschickt wurden. Jahrelang hatten die Aniyvwiya – die Hauptmenschen, wie sie sich selbst bezeichneten – in der Ödnis Oklahomas, wohin man sie verbannt hatte, ausgeharrt. Aber sie hatten ihre Berge nie vergessen.
    Einige waren zurückgekehrt und hatten sich zusammen mit anderen, die ihren Häschern entwischt und nie vertrieben worden waren, in diesen Bergen versteckt. Als für die Aniyvwiya die Zeit gekommen war, zumindest einen Teil dessen, was ihnen gehörte, zurückzufordern, hatten die McDaniels ihr Land für immer wiederbekommen.
    Ich bog auf die schmale Straße ab, die steil bergauf führte und sich zwischen Fichten hindurchwand, die so dicht und überwuchert waren, dass ich durch ihre Äste, die über meine Windschutzscheibe wischten, kaum etwas sehen konnte. Sobald sie sich endlich lichteten, tauchte vor mir gleich einer Burg das Haus auf.
    Ich weiß nicht, warum es mich an eine Burg erinnerte, denn es war aus Holz und nicht aus Stein erbaut. Keine Türmchen. Kein Burggraben. Kein Drache. In Wahrheit glich Grace’ Haus eher dem Motiv auf einer Halloween-Karte.
    Nicht, dass es heruntergekommen gewesen wäre. Auch bezweifelte ich, dass es darin spukte. Aber so, wie es dort weiß schimmernd vor dem ebenholzschwarzen Himmel auf dem hohen, schmalen Hügelkamm aufragte, mit seinem Giebeldach … waren das etwa Fledermäuse, die um den Schornstein kreisten?
    Zumindest war sie zu Hause. Die Fenster waren hell erleuchtet; ihr Streifenwagen parkte neben dem Geräteschuppen.
    Wahrscheinlich hätte ich vorher anrufen sollen, aber nach meiner Begegnung mit dem Wolf hatte ich nicht gewagt, den Blick von der Straße zu nehmen, noch nicht mal, um kurz mein Handy zu benutzen.
    Als ich aus dem Auto stieg, umgaben mich die Geräusche der Nacht – Käfer, der Wind, ein fernes Rascheln. Der Weg von meinem Fahrzeug zur Eingangsveranda kam mir unendlich weit vor. Ich schlug die Tür zu und hastete darauf zu.
    Eine Fledermaus schoss auf der Jagd nach besagten Käfern im Sturzflug nach unten, und ich unterdrückte einen schrillen Schrei. Wenn ich zu schreien anfinge, würde ich Grace zu Tode erschrecken. Auch wenn sie nicht so leicht zu erschrecken war wie ich.
    Ich erreichte die Veranda, rannte die Treppe hoch und drückte auf die Klingel, und zwar so gewaltsam, dass sie dreimal hintereinander läutete. Grace würde mich höllisch dafür büßen lassen, falls ich sie aus der Badewanne holte.
    Sie öffnete nicht. Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor zehn. Wo zum Geier steckte sie?
    Nachdem ich ein weiteres Mal geklingelt hatte, wartete ich, dabei ungeduldig mit dem Fuß wippend und darauf lauschend, ob sie auf dem Weg zur Tür war.
    Allmählich wurde ich nervös. Das Licht brannte. Ihr Auto stand vor dem Haus. War sie am Ende gestürzt und konnte nicht aufstehen?
    Ich rüttelte an dem Knauf. Verschlossen. Ich beugte mich über die Verandabrüstung und linste in ein Fenster, dann überquerte ich die knarrenden Holzdielen und guckte in ein anderes. Neue Möbel, aber keine Grace.
    Ich wollte zum Hintereingang gehen und feststellen, ob ich auf diesem Weg ins Haus käme. Ich guckte zum Himmel und zuckte zusammen, als etwas vorbeiflog und das silbrige Licht des Mondes zum Flackern brachte.
    Nachdem ich tief Luft geholt hatte, sprang ich von der Veranda, flitzte um das Haus herum und die Hintertreppe hoch, ohne zu realisieren, dass ich dabei die ganze Zeit die Augen geschlossen hielt. Zum Glück hatte Grace keine neuen Deko-Artikel im Garten aufgestellt, denn dann wäre ich mit dem Gesicht voran im Gras gelandet, aufgespießt von einem grinsenden Keramikgnom.
    Ich klopfte. Keine Antwort. Ich

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