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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Gästezimmer, damit mir nicht jeden Abend übel wurde.
    Als Kind hatte Grace Panther gesammelt – ihre Wände waren mit Zeitschriftenpostern beklebt, ihre Kommode und ihr Nachtkästchen mit Stofftier-Panthern und Figuren vollgestellt gewesen, ihr Bücherregal mit fiktiven Geschichten und Sachbüchern.
    Das mochte seltsam anmuten, es sei denn, man kannte sich mit der Tradition der Cherokee aus. In dieser matrilinearen Gesellschaft wurden die Kinder als Angehörige des Stammes ihrer Mütter geboren. Es gab sieben verschiedene, und Grace gehörte zum Blauen Klan, auch bekannt als Wildkatzen-Klan oder Panther.
    Sie nahm dieses Erbe sehr ernst, nicht zuletzt deshalb, weil heutzutage ein Großteil des Cherokee-Wissens über solche Klan-Zugehörigkeiten verloren war. Nur sehr wenige wussten mit Gewissheit, woher sie kamen.
    „Darf ich sehen, was du oben gemacht hast?“, fragte ich.
    Grace zuckte mit den Schultern, dann führte sie mich die Treppe hinauf.
    ImGegensatzzumeinemHausverfügteGrace’überdreiEtagen:dasErdgeschossmitdemWohnbereich,denerstenStock,wosieundihreBrüdergeschlafenhatten,unddenzweitenStock,dervonihremVaterbewohntwordenwar.
    Sämtliche Türen in der ersten Etage waren geschlossen. Ich überlegte kurz, ob ihre Brüder ihre Siebensachen wohl mitgenommen oder sie einfach zurückgelassen hatten. Die Frage war im selben Moment vergessen, als wir Grace’ Zimmer erreichten und sie die Tür aufstieß.
    Verschwunden war jeder Hinweis auf ihre Panther-Sammlung, stattdessen erwartete mich die heimelige und trotzdem moderne Interpretation eines Dschungels.
    Die Wände waren moosgrün gestrichen. Der Teppich war ein flauschiges blaues Meer. Die Tagesdecke ließ an hunderttausend Grashalme denken, die in Reih und Glied über die Matratze marschierten. Seerosengleich sprenkelten violette und dunkelgrüne Kissen das Bett. Die zugezogenen Vorhänge waren farblich auf die Wände abgestimmt.
    Wasser gurgelte – nicht das hartnäckige Tropfen eines Wasserhahns, sondern die weichen Töne eines Gebirgsbaches. Im ersten Moment dachte ich, dass eine New-Age- CD lief, bevor ich hinter einem Wandschirm, der einem moos- und blumenbewachsenen Sumpf in den Farben des Sonnenuntergangs nach einem heftigen Sommerregen nachempfunden zu sein schien, einen Zimmerbrunnen entdeckte.
    Es roch hier sogar anders als im restlichen Haus – nach getrocknetem Gras und den Nachwehen eines Gewitters. Ich sah mich nach Kerzen, Potpourris, einer dieser kleinen elektrischen Duftlampen um, entdeckte jedoch nichts dergleichen.
    „Es ist überwältigend.“
    „Hier fühle ich mich zu Hause.“
    Das Zimmer war mehr als behaglich. Mit den grünen Vorhängen vor den Fenstern, dem gurgelnden Wasser, den warmen Farben, dem dicken, kuscheligen Teppich und der gemütlichen Tagesdecke konnte ich mir mühelos vorstellen, mich hierher zurückzuziehen – ganz gleich, ob im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – und wie ein erschöpftes Baby zu schlafen.
    Vielleicht sollte ich zu Hause auch ein wenig umdekorieren. Doch welche Art Zimmer könnte ich mir erschaffen, um darin Frieden zu finden, wenn der eigentliche Mangel an Frieden in mir selbst lag?
    Jetzt hör auf mit diesem Quatsch oder bewirb dich für die nächste Dr.-Phil-Show . Aber ich hatte Psychoanalysen satt. Sogar meine eigenen.
    Grace sah ostentativ auf ihre Armbanduhr.
    „Oh! Bitte entschuldige.“ Ich ging zur Tür. „Ich weiß, dass du morgen früh aufstehen musst.“
    Erst nachdem wir uns verabschiedet hatten und ich wieder im Auto saß, realisierte ich, dass Grace mir nicht gezeigt hatte, was aus dem Büro ihres Vaters geworden war.
    Ich schaute zu dem einsamen Fenster im zweiten Stock hoch. Anstatt wie das übrige Haus in einem freundlichen gelben Kunstlicht zu erstrahlen, schimmerte dieses Fenster, als würde es von einem Dutzend flackernder Kerzen erhellt.
    So was war gefährlich. Was, wenn Grace vergaß, sie zu löschen, bevor sie zu Bett ging?
    In dem Vorsatz, schnell noch mal zu klingeln, um sie daran zu erinnern, legte ich die Hand auf den Türgriff, als Grace im Bürofenster auftauchte. Sie lehnte sich nach vorn, spähte nach draußen, sah mich und winkte mir zum Abschied zu, dann schloss sie die Jalousie.
    Ich war unruhig während der Heimfahrt, und das nicht nur, weil ich ständig zwischen den Bäumen nach einem Reh oder einem einsamen Wolf Ausschau hielt. Etwas an meinem Besuch bei Grace beschäftigte mich, aber ich wusste nicht, was es war.
    Es war nicht die verstohlene Art,

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