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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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ich zu mir selbst zurückfand, und das würde ich nicht eine Sekunde bedauern.
    „Ich muss gehen und … “ Malachi winkte in Richtung Manege.
    „Natürlich.“
    Zögernd richtete er die Augen auf meinen Mund. Mir stockte der Atem, und ich leckte mit der Zunge über meine plötzlich trockene Unterlippe, als er sich unvermittelt abwandte und mich stehen ließ.
    Allein sein Blick hatte genügt, um meine Begierde nach ihm neu zu entfachen. Wäre er nur eine Sekunde länger geblieben, hätte ich ihn geküsst, was vermutlich die Erklärung war, warum er so schnell das Weite gesucht hatte. Würden seine Leute ihn steinigen, wenn sie das mit uns herausfänden?
    Dies war das einundzwanzigste Jahrhundert. Malachi konnte schlafen, mit wem er wollte, genau wie ich. Vielleicht sollten wir uns ein wenig bedeckt halten, was den Nervenkitzel nur steigern würde. Andererseits wusste ich nicht, wie wir das nach dem Foto in der Zeitung bewerkstelligen sollten.
    Die Musik wechselte von einer melodischen Ouvertüre zu einer mitreißenden Polka. Ich guckte zur Manege und beobachtete, wie Hogarth mit einem erstaunlich gefügsamen Grizzlybären im Schlepptau in den Ring lief. Er trug ein hellrotes, einteiliges Ringertrikot aus Lycra. In Anbetracht seiner Größe, Breite und seines riesigen Bauchs hätte ich mir den Anblick gern erspart. Gott allein wusste, was inmitten eines hitzigen Ringkampfs alles entblößt werden konnte.
    Ich ließ meinen Blick umherschweifen, bis ich mehrere mit Gewehren bewaffnete Männer entdeckte, die an der Peripherie der Manege Wache hielten. Ihren nüchternen Mienen und der Professionalität, mit der sie ihre Waffen hielten, nach zu urteilen, wussten sie, was sie taten.
    In dem Vorhaben, dem Zuckerwattewagen einen Besuch abzustatten, wandte ich mich ab. Nicht, um welche zu essen – mir taten schon bei dem Gedanken die Zähne weh –, sondern um zu schnuppern und mich an dem Kaleidoskop der Farben zu ergötzen.
    Die typischen Pastelltöne – Rosa und Hellblau sowie das weniger beliebte Grün und Gelb – waren zu haben, aber in den Jahren, seit ich zuletzt in die Nähe einer Zuckerwattemaschine gekommen war, hatte man nicht nur Orange, Blau, Grün und Lila in Neon, sondern auch Silber und Schwarz entdeckt. Die Zeiten hatten sich zweifellos geändert.
    So verlockend die Aussicht auch war, ich schaffte es nicht bis zur Zuckerwatte, denn auf dem Weg dorthin kam ich am Zelt der Wahrsagerin vorbei.
    Fünf Dollar. Keine Wartezeit.
    Warum nicht? , dachte ich und schlüpfte hinein.

24
    Unter der Zeltplane erwartete mich ein Topkandidat für den Das-Klischee-des-Monats-Preis.
    Zwei Stühle flankierten einen Tisch mit einer bodenlangen, lilafarbenen Decke. Darauf lag ein Satz Karten und ein von schwarzer Seide verhüllter Gegenstand. Er hatte vage die Umrisse einer Kristallkugel.
    „Was wünschen Sie?“
    Die Wahrsagerin tauchte hinter einem aus vielfarbigen Tüchern bestehenden Vorhang auf, der den vorderen Teil des Zelts vom hinteren abtrennte; ich hatte sie noch nicht einmal rascheln hören.
    Sie nahm ihr münzenbesetztes Kopftuch ab und schüttelte ihr dunkelbraunes Haar, das nur wenige graue Strähnen durchzogen. Sie hatte auch ihre Armreife abgelegt, aber an ihren Fingern funkelten noch immer die vielen Ringe, und die Kreolen in ihren Ohren blitzten trotz der dämmrigen Beleuchtung.
    Ich zog fünf Dollar aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
    Sie sah an meiner Schulter vorbei. „Schließen Sie die Zeltklappe.“
    Ich tat wie geheißen. Als ich mich umdrehte, war das Geld verschwunden, und die Frau saß an dem Tisch. „Ich bin Edana.“ Sie wedelte ungeduldig mit der Hand. „Setzen Sie sich.“ Sobald ich auf einem wackligen Klappstuhl Platz genommen hatte, legte sie ihre Hand mit der Innenseite nach oben auf das violette Tuch. Unsicher, was sie von mir erwartete, starrte ich sie an. „Geben Sie mir Ihre Hand!“
    Ihre eigene war dünn, sehnig, dunkel und der gefürchteten Affentatze sehr ähnlich. Ich wollte weder das eine noch das andere berühren.
    „Warum?“, versuchte ich, Zeit zu schinden.
    Sie gab einen unwirschen Laut von sich. „Ich bin filidh , eine Seherin. Ich werde in Ihrer Handfläche lesen und in den Tarotkarten; danach werfen wir einen Blick in die Kristallkugel.“
    Sie zog das schwarze Tuch von dem Gegenstand in der Tischmitte. Das Licht der Öllaterne, die über unseren Köpfen baumelte – so viel zum Thema Feuergefahr –, brach sich in der Oberfläche der Glaskugel,

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