Wolfsdunkel -7-
‚ausgestoßen‘?“
Malachis Lächeln erstarb; plötzlich wirkte er viel älter. „ Marime bedeutet einerseits, wegen unreinen Benehmens ausgestoßen zu sein, bezeichnet aber auch den Status des Unreinen an sich.“
„Ich bin unrein?“, stieß ich aufgebracht hervor.
Malachi presste die Lippen zusammen. „Natürlich nicht, aber … “
„Du dürftest mich eigentlich nicht berühren.“
Seine Augen funkelten. „Was ich dürfte und was ich tue , hat nichts miteinander zu tun.“
„Was würde geschehen, wenn deine Leute herausfänden, dass du und ich … “ Ich sprach nicht weiter. Er wusste sehr gut, was er und ich getan hatten.
„Ich bin ihr Oberhaupt. Sie können mir nichts anhaben.“
Da hatte ich so meine Zweifel.
„Ist das der Grund, warum du heute Morgen in die Stadt gekommen bist und Balthazar bedroht hast?“
Sein Kopf ruckte nach oben. „Du weißt davon?“
„Es ist eine Kleinstadt, deren Oberhaupt ich bin. Was glaubst du wohl?“
Malachi stieß hörbar den Atem aus. „Ich habe dieses Foto gesehen und wollte … “ Er ballte die Fäuste.
„Ja, ich auch.“ Ich legte meine Hand auf seine. „Es tut mir leid, dass du in unseren kleinen Krieg reingezogen wurdest.“
„Krieg?“ Er runzelte verwirrt die Stirn.
„Monahan will meinen Job. Er glaubt, dass er seine Chancen erhöht, wenn er mich in Verruf bringt.“
„Also wird er uns weiterhin drangsalieren?“
„Höchstwahrscheinlich. Falls wir uns weiterhin sehen.“
Ich wartete darauf, dass er sagte, die vergangene Nacht sei eine einmalige Sache gewesen. Wie könnte sie in Anbetracht des Tabus, das über uns hing, mehr sein?
Malachi drehte seine Hand unter meiner, entspannte die Finger und verschränkte sie mit meinen, allerdings vollzog er dieses Manöver im Schutz seines Beines, damit niemand es bemerkte.
„Ich möchte wieder mit dir zusammen sein“, antwortete er leise. „Heute Nacht. Aber vielleicht sollte ich das Haus lieber durch die Hintertür betreten und auf demselben Weg wieder verlassen.“
„Nicht vielleicht.“ Ich lächelte. „Definitiv.“
„Dann bis später.“ Malachi ließ meine Hand los, denn die Kapelle begann zu spielen, was den Beginn der Vorstellung ankündigte.
„Trittst du heute auf?“
„Nein. Dieser Abend gehört Hogarth und Mary.“
Hogarth sah nicht aus wie ein Artist; er sah aus wie ein Auftragskiller.
„Was führt Hogarth denn vor?“
„Er ringt mit dem Grizzly.“
„Ist das nicht ein bisschen gefährlich?“
„Was würde an der Show reizvoll sein, wenn sie nicht gefährlich wäre? Denkst du, es ist sicher für Sabina, mit Schlangen zu tanzen?“
„Nein, ich schätze nicht.“ Ich konnte nur hoffen, dass Hogarth nicht als Schweizer Käse endete, während er in meiner Stadt gastierte.
„Und Mary … “ Ich legte den Kopf schräg. „Ich dachte, Mary sei ein Berglöwe.“
„Das ist sie.“
„Du lässt eine Berglöwin ihren eigenen Auftritt haben?“
„Nein, nein. Ich wollte sagen, dass der heutige Abend Jared gehört. Er ist Marys … “ Er hielt inne, als suchte er nach dem richtigen Wort. „Trainer.“
„Die Tiere laufen hoffentlich nicht frei herum, oder? Sie können nicht in die Menge springen und ein Massaker anrichten?“
„Wir ergreifen sämtliche Vorsichtsmaßnahmen.“
Die Antwort gefiel mir nicht. „Welche Art von Vorsichtsmaßnahmen?“
„Wir ziehen einen magischen Schutzkreis um die Manege. Die Tiere übertreten ihn nicht.“
Ich starrte ihn fassungslos an. „Sag mir, dass das ein Witz ist!“
„Ja und nein. Wir ziehen diesen Schutzkreis tatsächlich. Aber zusätzlich postieren wir ein paar bewaffnete Männer. Du musst dir um Einwohner und Urlauber keine Sorgen machen. Es ist noch nie etwas passiert. Wirklich noch nie.“
Ich entspannte mich ein wenig, trotzdem hätte ich Joyce am liebsten geschüttelt, weil sie eine derart seltsame und gefährliche Show gebucht hatte. Hätte ich nicht gewusst, wie sehr sie mich liebte, wäre ich möglicherweise auf den Gedanken verfallen, dass sie mich zu sabotieren versuchte – entweder in Zusammenarbeit mit Balthazar oder um selbst Bürgermeisterin zu werden.
Aber dafür kannte ich Joyce zu gut. Sie war Teil meiner Familie – besser gesagt, die einzige Familie, die ich neben Grace noch hatte.
Und wenn Joyce die Zigeuner nicht angeheuert hätte, hätte ich Malachi nicht kennengelernt. Er hatte die Gefängnismauern zum Einstürzen gebracht, die meine Angst um mich errichtet hatte; er bewirkte, dass
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