Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
bis an die Zähne bewaffnete Schwerverbrecher durch die Großstadt-Ghettos jagen. Wenn’s für solche Actionszenen tatsächlich mal Bedarf gibt, erledigen das die Kollegen vom SEK – also die vom Sondereinsatzkommando.«
»Nun, gut. Sag mal, hast du diese Probleme eigentlich schon öfter gehabt?«
»Welche Probleme?«
»Na, dreimal darfst du raten: Schmerzen an Gelenken, Knochen oder Ähnlichem.«
Tannenberg warf die Stirn in Falten, zuckte mit den Achseln. »Es zwickt schon mal ab und zu an verschiedenen Stellen.«
»Und wo, Tanne? Ein bisschen genauer, wenn ich bitten dürfte. Zum Beispiel am Ellenbogen?«
»Ach, du meinst den berühmten Tennisarm? Das kannst du getrost vergessen! Ich hab nie Tennis gespielt. Ich bin doch Handballer!«
»Ja, ja. Ich erinnere mich. Komm setz dich jetzt mal auf.«
»Glaubst du denn, das geht schon?«, fragte Tannenberg skeptisch.
»Sicher. Natürlich sind die Schmerzen noch nicht ganz weg, aber deutlich weniger müssten sie inzwischen schon geworden sein«, antwortete Dr. Bohnhorst, während er seinen alten Schulkameraden unter der Achsel packte und nach oben zog.
Als Tannenberg endlich mit merklich entspannterer Miene auf der schmalen Liege saß, drückte ihm der Allgemeinmediziner ohne jegliche Vorankündigung mit flinken Fingern in den rechten Ellenbogen hinein.
Tannenberg schrie sofort auf und rieb sich stöhnend die schmerzende Stelle.
»Au! Bist du denn verrückt geworden, Kai?«, schimpfte er ungehalten los.
»So viel zum Thema ›Tanne kann keinen Tennisarm haben, weil Tanne noch nie Tennis gespielt hat‹«, sagte der Arzt mit spöttischer Miene.
Mit einem zielgerichteten Daumendruck in Tannenbergs Kniegelenk löste Dr. Bohnhorst ein neuerliches, heftiges Schmerzgefühl aus, das sein alter Schulfreund umgehend mit einer weiteren scharfen Unmutsbekundung quittierte.
»Fibromyalgie«, verkündete daraufhin der Arzt nüchtern.
»Was?«
»Du hast eindeutige Fibromyalgie-Symptome.«
Tannenberg starrte seinen ehemaligen Klassenkameraden entsetzt an.
»Ja, und was ist das?«, fragte er mit ängstlichem Blick.
Der Arzt zog die Augenbrauen nach oben. »Mensch, Tanne, wir waren doch in der Oberstufe im selben Lateinkurs. Ich hoffe, du erinnerst dich noch daran.«
Als der Kriminalbeamte nicht reagierte, fuhr Kai Bohnhorst fort: »›Fibra‹ ist nämlich lateinisch und heißt ›Faser‹. Die anderen Wortteile dagegen sind altgriechischen Ursprungs: ›Mys‹ heißt Muskel, ›algos‹ heißt Schmerz und ›ia‹ heißt Zustand. Ergo müsste die wörtliche Übersetzung von Fibromyalgie eigentlich ›Muskelfaserschmerzzustand‹ lauten. Aber dieser Begriff hat sich natürlich nicht durchgesetzt. Die meisten Leute sagen dazu ganz einfach ›Weichteilrheumatismus‹.«
»Rheuma – ach du Scheiße!«, kam es Tannenberg spontan über die Lippen. »Ist diese Fibro-Dingsbums eine sehr schlimme Krankheit?«
»Nee, eigentlich gar nicht. Es tut eben nur ziemlich weh.«
»Nur ziemlich weh«, wiederholte der Kriminalbeamte die Worte des Arztes, allerdings mit einem ziemlich resig-nierten Unterton. »Du hast vielleicht gut reden.«
»Stell dich nicht so an, Tanne. Es gibt wirklich weitaus Schlimmeres! Bei der Fibromyalgie gibts im Gegensatz zu anderen Rheumaformen nämlich zum Glück keinerlei Entzündungsprozesse oder Gelenkveränderungen.«
»Na, wenigstens das nicht«, murmelte Tannenberg vor sich hin. Seine Freude über diese Zusatzinformation hielt sich allerdings in engen Grenzen.
»Aber du solltest dich schon mal darauf einstellen, dass du an bestimmten, neuralgischen Punkten deines Körpers starke Schmerzen bekommst. Besonders betroffen sind die Bereiche deines Bewegungsapparats, die du früher stark beansprucht hast. Bei deiner sportlichen Vergangenheit dürften das wohl Wurfarm, Sprungbein ...«
»Was? Starke Schmerzen?«, warf der Leiter des K1 dazwischen.
»Ja. Und zwar solche Schmerzen, die merkwürdigerweise häufig wie aus dem Nichts auftauchen und genauso plötzlich wieder verschwunden sind – oder aber auch für eine Zeit lang bei dir bleiben. Leidest du eigentlich auch unter Schlafstörungen, Depressionsschüben, Verdauungsproblemen?«
Tannenberg zuckte leicht mit den Schultern, blies die Backen auf. »Manchmal schon.«
»Hast du auch Genick- und Kopfschmerzen?«
»Ja, ziemlich häufig sogar.«
»Siehst du, passt doch alles wunderbar zusammen.«
Tannenberg sah sich nicht in der Lage, die Begeisterung seines medizinischen Beraters zu teilen.
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