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Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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akustisch kaum wahrnehmbar sind.
    Am brutalsten tritt dieser Schockeffekt dann zutage, wenn das Tier sich gemütlich unter dem gedeckten Mittagstisch abgelegt hat und sich inmitten eines schmackhaften Essens geräuschlos seiner auslassbegehrenden Darmgase entledigt.
    Obwohl diese bei den Betroffenen sofortigen Atemstillstand auslösenden Gasangriffe schon viele menschliche Zusammenkünfte abrupt gesprengt haben, kann man den treuen, vierbeinigen Gesellen natürlich nicht ernstlich böse sein, geschieht ihr Handeln doch ohne Vorsatz.
    Und wer jemals nach seinem gellenden Aufschrei des Entsetzens, der Abscheu und des Ekels über den verbreiteten bestialischen Gestank in die unschuldigen Augen eines verschüchterten Hundeantlitzes geblickt hat, wird dies gerne bestätigen.
    Zu derart subtilen Denkprozessen war Tannenberg zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht in der Lage, denn das, was ihm eben penetrant in die Nase gekrochen war und ihm fast den Atem geraubt hatte, war dermaßen unerträglich gewesen, dass er nur mit allergrößter Mühe gegen die von ihm Besitz ergreifende Übelkeit anzukämpfen vermochte.
    Seine extreme Reaktion hing sicherlich auch damit zusammen, dass dieser unerträgliche Gestank eine frappierende Ähnlichkeit mit dem ›Vier-Sorten-Premium-Fleischmenü‹ aufwies, das er gestern Abend aus einer Magnumdose geschält und in Kurts Fressnapf aufgetürmt hatte. Und bei dieser Fütterungsprozedur hatte es ihm wieder einmal fast den Magen umgedreht. Aber der gerade sein Riechzentrum narkotisierende Geruch war noch weitaus unangenehmer, weil mit einer zusätzlichen, faulig-säuerlichen Komponente versetzt.
    Kurt zeigte an diesem Mittag nicht den geringsten Anflug eines schlechten Gewissens, als sein Herr zutiefst angewidert auf ihn einzuschimpfen begann. Aber da Kurt ein von Natur aus sehr duldsames Lebewesen war, begegnete er dem Wutausbruch seines Herrn zwar mit Unverständnis, signalisierte jedoch sofort seine bedingungslose Zuneigung zu ihm, indem er sich gemächlich aufrichtete und brummend seinen schweren Kopf auf Tannenbergs rechtem Oberschenkel ablegte.
    Während Margot Tannenberg flugs die Küche durchlüftete, hatte ihr Sohn dem vergötterten Familienhund bereits schon wieder seine Untat verziehen. Er kraulte zärtlich das zottelige Haupt des inzwischen ein knappes Jahr alten, äußerst gelungenen Genmixes aus Langhaarschäferhund und Leonberger. Kurt bedankte sich für die liebevollen Streicheleinheiten mit seiner etwas überdimensioniert wirkenden, rauen Zunge, die meist schlaff über den wild ausgefransten, schwarzen Lefzen hing.
    Natürlich war Kurt noch immer weiblichen Ge-schlechts. Aber Tannenbergs, im letzten Frühsommer durch einen spontanen, trickreichen Willkürakt erfolgte Namensgebung wurde inzwischen von allen Mitgliedern der Großfamilie akzeptiert. Selbst Schwägerin Betty, die sich in den ersten Monaten noch vehement gegen diesen ›Vollrausch-Männer-Schwachsinn‹, wie sie es immer wörtlich nannte, gewehrt hatte, kapitulierte mit der Zeit und rief das bellende Familienmitglied nun auch mit diesem, für eine Hundedame zugegebenermaßen recht ungewöhnlichen Namen.
    Besonders das Zusammentreffen mit anderen Hundebesitzern blieb verständlicherweise nicht frei von Irritationen. Denn im Gegensatz zu den von ihnen ausgeführten Vierbeinern, denen natürlich das wahre Geschlecht Kurts nicht lange verborgen blieb, bedurfte es doch einigen Erklärungsaufwandes, um den menschlichen Wesen am anderen Ende der Leine die etwas komplizierte Angelegenheit zu erläutern.
    Tannenberg empfand diese Kontakte bereits nach kurzer Zeit als ausgesprochen lästig. Deshalb beschloss er, fortan seine Spaziergänge in einsame Waldgebiete zu verlegen. Lief ihm trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen irgendjemand über den Weg, schlug er sofort einen Haken und wanderte querfeldein weiter – Kurzschlusshandlungen, die von den damit konfrontierten Zeitgenossen nicht selten mit verständnislosem Kopfschütteln bedacht wurden.
    Ein neutraler Beobachter hätte sicherlich erstaunt festgestellt, dass Tannenbergs Verhältnis zu Hunden sich innerhalb eines einzigen Jahres radikal verändert hatte. Einem hinterlistigen Langhaardackel, dem in der elterlichen Wohnung über viele Monate hinweg das Gnadenbrot serviert wurde, war er mit tiefsitzender Aversion begegnet.
    Bei Kurt dagegen verhielt es sich von Beginn an völlig anders: Es war damals wirklich Liebe auf den ersten Blick gewesen. Tannenberg war dem Charme dieses

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