Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
tun?«
»Ganz einfach, Chef: Vielleicht will er ja dadurch eine hohe Lebensversicherung kassieren.«
»Das wäre doch viel zu unsicher gewesen. Dass jemand den Ring gefunden hat, war doch blanker Zufall.«
Geiger lief zur Höchstform auf. »Oder er wollte untertauchen. Vielleicht musste er ja auch untertauchen.«
Tannenberg stülpte die Oberlippe vor, wiegte skeptisch den Kopf hin und her. »Kann ich mir irgendwie auch nicht vorstellen.«
»Warum denn nicht?« Geiger wischte sich den Schweiß von der geröteten Stirn. »Das ist doch möglich, Chef.«
»Möglich ist natürlich alles. Aber für solche Spekulationen gibt es im Augenblick keinerlei Anhaltspunkte.«
»Warum?«
»Weil wir uns strikt an die Fakten halten, Geiger. Und das sind noch mal folgende: Wir haben eine Vermisstenmeldung und den teuren Ring des gesuchten Studenten, aufgefunden in der Asche eines Krematoriums.«
»Aber, Chef, es ...«
»Geiger, es reicht jetzt!«, drehte ihm sein genervter Vorgesetzter den Ton ab.
In weitaus moderaterem Tonfall wandte er sich anschließend wieder an die Runde seiner versammelten Mitarbeiter: »Ja, Leute, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als alle Sammelstellen nacheinander abzuklappern. Ich befürchte, das wird eine Heidenarbeit.«
Plötzlich wurde Tannenberg von einem Geistesblitz heimgesucht: »Karl, was ist denn eigentlich mit dem Genmaterial?«
Mertel kniff die Lippen frustriert zusammen, wiegte abermals den Kopf wild hin und her. »Nein, auch nichts. Die gesamte DNA eines Lebewesens wird bei solch einer großen Hitzeeinwirkung restlos vernichtet.«
»Klar, das hat mir ja auch schon der Doc gesagt«, murmelte Tannenberg. »Dann ist wohl das Einzige, was wir bis jetzt haben, der ungefähre Todeszeitpunkt dieses armen Studenten. Und der liegt allem Anschein nach irgendwo zwischen Donnerstag, später Nachmittag und Montagfrüh, als der Ring gefunden wurde.«
»Na ja, dadurch können wir zumindest die Anlieferer ziemlich eingrenzen. Zumal am Wochenende der Betrieb geschlossen ist«, sagte Schauß eher beiläufig.
»Was, an den Wochenenden sind die Öfen dort aus?«, rief Tannenberg verwundert.
»Ja. Das hab ich selbst überprüft.«
»Super, Michael! Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Für mich stand die ganze Zeit über irgendwie fest, dass so ein großes Unternehmen auch am Wochenende arbeitet. Dann geht’s ja eigentlich nur noch um die Lieferungen am Freitag.«
»Genau. Ich ruf diese Leute gleich nachher an und mach ihnen anständig Druck, damit sie uns die Auflistung der Anlieferungen endlich zufaxen. Das hätten sie eigentlich schon längst tun sollen.«
»Ja, mach das mal. Hoffentlich sind das nicht so viele.« Tannenberg fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine Haare. »Das ist vielleicht ein erster, erfolgversprechender Anhaltspunkt für unsere Ermittlungen.«
»Aber, Chef, wir haben doch noch was«, warf Kriminalhauptmeister Geiger von der Seite her ein.
»Und was?«, fragte Tannenberg reflexartig, obwohl seine Gedanken noch an dem neuen, vielversprechenden Rechercheergebnis klebten.
»Na, den Ring eben.«
»Sehr gut, Geiger!«, lobte der Leiter des K1 vordergründig den Beitrag seines Kollegen, sandte aber gleichzeitig einen flehenden Blick an die Zimmerdecke.
Sabrina meldete sich zu Wort. »Ich hab bei den Eltern von Lukas Steiner mal angerufen. Hätte ja sein können, dass er übers Wochenende nach Hause gefahren ist. Aber dem war leider nicht so. Sie wissen auch nicht, wo ihr Sohn denn stecken könnte.«
»Wäre ja wohl auch zu schön gewesen«, meinte Tannenberg.
»Nach den Angaben seines Vaters hat Lukas Steiner sich seit mehr als einem Monat nicht mehr bei ihnen gemeldet.« Die junge Kommissarin schüttelte den Kopf, während sie gleichzeitig ihre mit farblosem Lack bepinselten Fingernägeln nervös auf der Tischplatte herumtrommeln ließ.
»Ist noch was, Sabrina?«, fragte Tannenberg, dem die Anspannung seiner Mitarbeiterin nicht verborgen geblieben war.
Sabrina faltete die Hände und blickte grübelnd zum Leiter des K1 hinüber. »Das war ein ziemlich merkwürdiges Telefongespräch.«
»Wieso denn?«
»Na ja, Wolf, diese Leonie hatte doch behauptet, dass Lukas’ Eltern sehr wohlhabend seien.«
»Stimmt, daran erinnere ich mich.«
»Siehst du. Und deswegen habe ich irgendwie erwartet, dass sich bei meinem Anruf vornehme Leute melden würden, eben solche, denen man ihren Reichtum auch am Telefon anmerkt, oder den man vielleicht sogar durchs Telefon
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