Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
Weißt du eigentlich, was das heißt?«
    Tannenberg antwortete nicht. Ihm hatte es die Sprache verschlagen.
    Mertel dagegen war in seinem Element. »Das heißt, keine einzige Datei, keine einzige E-Mail, nichts – absolut nichts! Und das wiederum bedeutet: Dieser Mensch hat, zumindest informationstechnologisch betrachtet, nie gelebt.«
    »Ein Toter, der nie gelebt hat? Oh je!«, stöhnte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission. »Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Fall weitaus komplizierter ist, als ich zunächst angenommen hatte.«
     
     
     

4
    Die dramatischen Ereignisse der nächsten Stunden sollten Tannenbergs Leben mit einer Radikalität verändern, wie er es selbst niemals für möglich gehalten hätte. Als Heiner kurz nach den 20-Uhr-Nachrichten mit zwei Flaschen Barbera d’Alba bewaffnet in seiner Wohnung erschien, konnte er natürlich nicht wissen, dass sein Höllenritt bereits unmittelbar bevorstand.
    Marieke hatte kurz zuvor ihre Eltern beim Abendessen über die bestehende Schwangerschaft informiert und sie außerdem davon in Kenntnis gesetzt, dass sie noch vor der Geburt des Kindes ihren Freund Max zu heiraten gedenke.
    Und als ob diese Mitteilungen nicht schon genügend Schockwirkungen verursacht hätten, eröffnete Marieke ihren biologischen Erzeugern auch gleich noch, dass sie hinsichtlich eines geeigneten Wohnraums für die zukünftige junge Familie bereits fündig geworden sei: Das im letzten Sommer ausgebaute und somit grundsätzlich bezugsfertige Dachgeschoss ihres Elternhauses, das Heiner seit dieser Zeit als Schriftsteller-Refugium nutzte.
    Marieke hatte ihr strategisches Vorgehen perfekt geplant. Denn bevor sie mit Max bei ihren Eltern erschien, hatte sie ihrer Großmutter die frohe Kunde überbracht. Margot Tannenberg hatte sich wie ein kleines Kind über die Nachricht gefreut und sich natürlich sofort dazu bereiterklärt, sich so intensiv um das Baby zu kümmern, dass Marieke sich in aller Ruhe auf ihr Abitur vorbereiten könne.
    Als Heiner seinem Bruder in der Küche mit hängendem Kopf gegenübersaß, merkte man ihm deutlich an, unter welch enormem Leidensdruck er stand. Während er sich seinen ganzen Kummer von der Seele redete, fragte sich Tannenberg ernsthaft, ob seinen Bruder der drohende Verlust des Rückzugsbereichs nicht weitaus mehr beunruhigte als die sicherlich nicht einfache, jedoch im Rahmen einer Großfamilien-Konstellation durchaus zu bewältigende Aufgabe der Betreuung des ungeplanten Familiennachwuchses.
    Genau in dem Augenblick, als Tannenberg vorsichtig die zweite Flasche Barbera entkorkte, hatte er eine geniale Idee: Er empfahl Heiner, das über seiner eigenen Wohnung befindliche, ebenfalls ausgebaute, aber bislang nur als Abstellraum genutzte Dachgeschoss doch künftig als Arbeitszimmer zu verwenden.
    Durch diesen Vorschlag veränderte sich Heiners psychische Befindlichkeit schlagartig. Und je mehr er darüber nachdachte und je mehr Rotwein er dabei konsumierte, umso verlockender erschien sie ihm. Schließlich beinhaltete dieser Ortswechsel in das andere Haus den nicht zu unterschätzenden Vorteil einer größeren räumlichen Distanz zu seiner Ehegattin, die in der Vergangenheit nur wenig Verständnis für das Ruhe- und Konzentrationsbedürfnis ihres schriftstellerisch tätigen Mannes aufbringen wollte.
    Während die beiden Brüder sich ausgelassen zuprosteten, machte sich plötzlich Tannenbergs Handy mit einer schrillen Piepsmelodie bemerkbar. Er schnappte sich seine Lederjacke, legte sie auf seinen Schoß, fischte das Handy heraus und drückte die grüne Taste.
    Aber es meldete sich niemand.
    Verwundert betrachtete er das fahl erleuchtete, grünliche Display, auf dem ein stilisiertes Briefcouvert blinkte. Obwohl ihn nur äußerst selten eine SMS erreichte, wusste er jedoch genau, welche Tastenfolge er zu bedienen hatte, um die eingetroffene Nachricht abrufen zu können.
    Mit gekrauster Stirn und weit aufgerissenen Augen las er zweimal hintereinander den Text:
     
    ›kommen sie schnell
    in meine wohnung
    aber allein
    leonie‹
     
    Ohne Heiner gegenüber auch nur ein einziges Wort über den Grund seines überhasteten Aufbruchs verlauten zu lassen und unter völliger Missachtung seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit, stürmte er zu seinem Auto und raste mit quietschenden Reifen zum roten Studentenwohnheim.
    Die Eingangstür war verschlossen.
    Er spürte das Pochen seines Herzschlages bis unter die Schädeldecke.
    Sein zitternder

Weitere Kostenlose Bücher