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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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entlang, bitte«, sagte
sie, während sie vorausging. »Wir können um das Haus herumgehen.« Eine Spur
lauter fügte sie hinzu: »So, wie Ihre Kollegen.«
    Das saß. Ohne sich umzuschauen, ging sie
weiter. Mendelski und Maike Schnur warfen sich verstohlene Blicke zu, schwiegen
jedoch zu dem versteckten Vorwurf. Frau Hogreve hatte ja recht: Strunz und
Kleinschmidt hätten nicht aufs Grundstück laufen sollen, ohne vorher zu fragen.
    Sie hatten Mühe, der mit kurzen, schnellen
Schritten dahineilenden Haushälterin zu folgen. Es ging um zwei Hausecken herum
und dann auf einem schmalen, schnurgeraden Plattenweg über eine große, akkurat
gemähte Rasenfläche, die einem Golfplatz zur Ehre gereicht hätte.
    »Wo der Gärtner nur steckt«, murmelte
Irene Hogreve.
    »Was sagten Sie eben?« Maike Schnur, die
direkt hinter ihr war, ging einen Schritt schneller, um besser hören zu können.
    »Ach nichts.« Die Haushälterin winkte ab.
    Fünfzig Schritte weiter bog der Fußweg um
zwei Eiben, deren weit ausladende Äste bis zum Erdboden reichten. Als er aus
dem Schatten der Bäume trat, blieb Mendelski mit einem erstaunten »Caramba!« plötzlich stehen. Vor
ihnen lag eine Idylle, die gut in einen Katalog für naturnahe Individualreisen
nach Skandinavien oder Kanada gepasst hätte.
    In der Mitte einer kleinen Senke stand ein
rustikal aussehendes Blockhaus.
    Auf dem tief heruntergezogenen Satteldach
wucherte wildes Gras; die naturbelassenen, entrindeten Rundhölzer schienen
außer Motorsäge und Axt kein anderes Werkzeug gesehen zu haben. Einzig Tür und
Fenster wiesen eine künstliche Farbe auf: ein dunkles, kräftiges Grün.
    An der Front des Holzhauses erinnerte eine
Veranda an einschlägige Westernfilme. Auch die obligatorische Sitzbank und der
Schaukelstuhl fehlten nicht. Den Giebel zierte eine mächtige Elchschaufel, die
Alter und UV -Bestrahlung gebleicht
hatten.
    Auf der einen Seite der Hütte gab es eine
Feuerstelle mit einem Schwenkgrill, umgeben von grob behauenen Baumstämmen und
ein paar Findlingen, die als Sitzgelegenheiten dienten.
    Auf der anderen Seite lag der Pool. Ein
rechteckiges, im typischen Hellblau gehaltenes Schwimmbecken von ungefähr zehn
mal fünfundzwanzig Metern.
    Am Rand des Pools standen Strunz und
Kleinschmidt. Sie starrten ratlos in die Tiefe.
    * * *
    Endlich wurde der Weg besser.
    Rechts und links der Fahrbahn hatte man
die Kiefernbestände zwar schon mit roter Farbe markiert, doch erst nach dem
Fällen und dem anschließenden Holzrücken mit schwerem Gerät würde der
aufgeweichte Weg auch hier in Mitleidenschaft gezogen werden.
    Karl-Heinz Jagau wollte gerade das
Autoradio einschalten, als sein Handy klingelte; der Klingelton ähnelte dem
Jagdhornsignal »Aufbruch zur Jagd«.
    »Bin auf dem Weg zum Streckenplatz«, sagte
er auf von Bartlings Frage nach seinem Standort. »Ja, um die Schwedenfeuer zu
holen. Die hab ich ja gestern zurücklassen müssen. – Wegen der vielen
Stücke Wild, die ich in die Kühlkammer … – Genau, dann wollte ich
Feierabend machen. – Die Polizei? Nein, die hab ich heute nicht im Wald
gesehen. Nur den Pagel und den Wiegand. – Ja, den Gärtner. – Keine
Ahnung, was der … – Okay, mach ich. Dann bis später.«
    Er verstaute sein Handy wieder in der
Brusttasche, bog an einer Waldwegekreuzung rechts ab und startete einen zweiten
Versuch, das Autoradio einzuschalten.
    Doch daraus wurde wieder nichts.
    Er hatte sich gerade nach vorn gebeugt, um
den entsprechenden Knopf am Radio zu drücken, als er den Feuerschein entdeckte.
Rund zweihundert Meter entfernt, wo am Wegesrand der Streckenplatz liegen
musste, loderten Flammen zwischen den Bäumen auf.
    Hätte nach einer langen Trockenperiode
akute Waldbrandgefahr für die leicht entzündbaren Nadelholzwälder bestanden,
wäre Karl-Heinz Jagau, der die Escheder Waldbrandkatastrophe 1975 als
zehnjähriger Pöks miterlebt hatte, sicher ins Rotieren gekommen. Doch nach dem
vielen Regen der letzten Tage und Wochen sah er einem offenen Feuer relativ
gelassen entgegen.
    Nur wer, verflixt, entfachte hier mitten
im Wald ein Lagerfeuer? Oder hatte er es mit einem Brandanschlag zu tun? Und
wenn ja, auf was?
    Eine leise Ahnung stieg in ihm auf.
    Er trat aufs Gas. Je näher er der Stelle
kam, desto größer wurden die Flammen. Rauch sah er so gut wie keinen. Er wusste
auch, warum. Das Brennmaterial war knochentrocken. Und sehr harzhaltig.
    Als er den Streckenplatz schließlich
erreichte, sah er, dass jemand seine

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