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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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zu
schließen, als sie Kai und Finn in den Garten laufen sah. Sie stieß das Fenster
wieder auf und versuchte, den beiden etwas nachzurufen, aber das war
vergebliche Liebesmüh.
    Insgeheim hoffte sie, dass sich die
Kriminalpolizei – wenn sie richtig gezählt hatte, tummelten sich im Garten
mittlerweile mindestens sieben Beamte – gegenüber den beiden Jungens etwas
respektvoller benähme als gegen sie selbst. Obschon er meist eine harte Schale
zur Schau trug, war ihr Kai doch sensibel und so verletzlich. Wie gern hätte
sie ihn in diesen schweren Tagen etwas mehr unter ihre Fittiche genommen.
    Ob die da draußen was finden?, fragte sich
die Haushälterin, während sie das Fenster zuzog. Plötzlich stutzte sie. Sie war
mit dem rechten Oberschenkel sacht an den Heizkörper gestoßen, wobei sie etwas
Hartes in ihrer Schürzentasche gespürt hatte. »Verdamm mich«, schimpfte sie
laut mit sich. »Das hätte ich ja fast vergessen.«
    Wenige Minuten später, um Punkt siebzehn
Uhr, schnappte sich Irene Hogreve einen leeren Wäschekorb und eilte in den
Garten hinaus. Ein zufälliger Beobachter sollte annehmen, sie sei auf dem Weg
zur Trockenwiese, um die längst trockene Wäsche von der Leine zu holen.
Stattdessen bog sie zum Holzschuppen ab, wo sie sich so unauffällig wie möglich
nach allen Seiten umschaute. Als sie sicher war, dass niemand sie beobachtete,
stellte sie den Wäschekorb auf dem Hackeklotz neben der Tür ab und trat rasch
in den Holzschuppen.
    In Windeseile holte sie das Okuliermesser
aus der Schürzentasche und legte es an seinen angestammten Platz im
ausrangierten Küchenschrank zurück. Doch als sie die Schublade wieder
zuschieben wollte, klemmte diese. Sie ruckelte an der Lade, als das nicht
fruchtete, zog sie sie wieder ein Stück heraus und versuchte es ein zweites
Mal. Wieder blieb die Schublade auf halbem Wege stecken.
    Irene Hogreve wurde nervös. Mit beiden
Händen stemmte sie sich gegen den Schrank. Ächzend vor Anstrengung bemerkte sie
nicht, dass hinter ihr, in der Tür, ein Schatten aufgetaucht war.
    Auf leisen Sohlen betrat ein Mann den
Holzschuppen und schloss die Tür hinter sich.
    * * *
    Nachdem er am Pool in die Knie
gegangen war, reichte ihm Ellen Vogelsang die Beweismitteltüte. Mendelski nahm
sie in beide Hände und hielt sie in die Höhe, um den Inhalt besser erkennen zu
können. Viel schien die federleichte, durchsichtige Hülle in DIN-A 4-Größe nicht zu
enthalten. Der Kommissar musste sehr genau hinschauen, um überhaupt irgendetwas
darin zu entdecken.
    »Das stammt aus dem Ablaufsieb«, erklärte
Ellen Vogelsang nicht ohne Stolz. »Das Teil hatte sich in einem der Löcher
verklemmt, und es war ziemlich schwierig, es unversehrt zu bergen. Ansonsten
ist das Sieb picobello sauber, wie der übrige Pool übrigens auch. Kein Härchen,
kein Krümchen, kein Blatt … nichts. Da hat jemand einen gründlichen
Großputz veranstaltet.«
    »Wovon redest du?« Mendelski knetete
unwirsch die Plastiktüte. Seine Brille hatte er mal wieder im Auto gelassen.
    »Unten rechts, da in der Ecke«, half ihm
Ellen Vogelsang. »Es ist winzig.«
    »Ach, jetzt hab ich’s.« Mendelski faltete
die Tüte so, dass das sichergestellte Objekt nicht mehr aus seiner Ecke
rutschen konnte. »Aber … was, zum Teufel, ist denn das?«, fragte er und
betastete die Tüte vorsichtig.
    »Hast du keine Idee?«
    »Sieht aus wie ein Stückchen Holz, Koralle
oder so. Mit einer relativ scharfen Bruchstelle an der einen und einer
gleichmäßigen Abrundung an der anderen Seite.«
    »Sehr gut!«
    »Und nun?« Mendelski schaute sie fragend
an.
    »Könnte das nicht auch ein Stück von einem
Knochen sein? Von einem abgebrochenen, winzigen …« Ellen Vogelsang hatte
ihre Stimme gesenkt und nickte vielsagend.
    »… Vogelknochen«, beendete er leise
den Satz.
    »Bingo«, flüsterte sie.
    * * *
    Der Schreck fuhr ihr in die
Glieder. Irene Hogreve wollte laut aufschreien und versuchte gleichzeitig, sich
umzudrehen, doch schon hatte sich ihr eine große Hand von hinten auf den Mund
gelegt.
    Eine andere Hand umklammerte ihre
Schulter, sodass sie, wie in einem überdimensionalen Schraubstock, zu keiner
Regung mehr fähig war. Gegen ihren Rücken presste sich der Körper eines Mannes,
der mindestens einen Kopf größer war als sie.
    »Ga-ganz ruhig«, hauchte der Mann ihr
stotternd ins Ohr, während strenger Harzgeruch in ihre Nase stieg. Der Kerl
musste, so viel registrierte sie noch, kürzlich frisches Nadelholz

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