Wolfsfeder
schweifen.
»Ziemlich oft. Im Frühjahr und Sommer
verbringen wir viel Zeit am Pool und grillen hier auch ab und an. Im Blockhaus
selbst sind wir mehr im Herbst und Winter, zur Jagdzeit. Wir haben sonst keine
Jagdhütte, daher ist das so eine Art Hüttenersatz, in dem wir schon so manchen
Bekannten zum Jäger geschlagen haben.«
»Und etliches Wild tot getrunken?«
»Klar, das gehört doch dazu. Außerdem
übernachten hier oft Gäste. Ist ja Platz genug.«
Unwillkürlich schaute Mendelski zu Maike
Schnur hinüber. Und richtig: Sie verdrehte genervt die Augen. Mit jagdlichem
Brauchtum würde sich Maike in diesem Leben nicht mehr anfreunden, da war sich
der Kommissar sicher.
»Ihre Familie scheint jagdlich sehr aktiv
zu sein«, fuhr Mendelski fort. »Wenn man die vielen Trophäen, Schwarten und
Fotos so betrachtet.«
»Stimmt.«
»Sogar in Afrika haben Sie gejagt, wie ich
sehe. Das kann man mit dem Jagdbetrieb hier in Deutschland wohl kaum
vergleichen, oder?«
»Nein, das ist schon was ganz anderes.
Mein Vater hat Kontakte nach Namibia. Ich war auch schon zweimal dort.«
»Daher das Zebrafell?«
»Genau. Vater hat sich zum Sammler
entwickelt, ich weniger. Er bringt von seinen Jagdreisen jede Menge so Zeugs mit.«
»Um die Sachen hier im Blockhaus
auszustellen?«
»Richtig.«
Vor der nächsten Frage machte Mendelski
eine kurze Pause. Und stellte sie dann eher beiläufig.
»Haben Sie eine Ahnung, wo die Wolfsfeder
geblieben ist?«
»Die Wolfsfeder?« Kai, der mit dem Rücken
zur Tür saß, fuhr herum und zog die Stirn in Falten. »Die müsste doch …«
Er stockte, als er den leeren Platz an der Wand sah. »Verflixt! Wo ist die denn
hin? Neulich hat sie noch hier gehangen. Finn, erinnerst du dich? Letzte Woche
haben wir sie doch noch Yadira gezeigt. Als es um die Wölfe hier in der Region
ging.«
Finn nickte nur apathisch.
»Ich habe nur das Schild entdeckt«,
erläuterte Mendelski.
»Und ich hab’s vorgelesen«, konnte sich
Maike Schnur nicht verkneifen zu sagen. »Interessante Geschichte.«
»Vielleicht hat sie mein Vater irgendwohin
mitgenommen«, mutmaßte Kai. »Um sie jemandem zu zeigen. Sie können ihn ja
fragen, wenn er kommt.«
»Woher hat Ihr Vater denn das gute Stück?«
»Wenn ich das noch zusammenkriege.« Kai
stützte beide Ellenbogen vor sich auf den Tisch und legte die Hände an die
Wangen. »Ich glaube, er hat sie vor Jahren mal von einem Förster gekauft. Von
einem pensionierten Forstamtsleiter aus Unterlüß, der wohl Geld brauchte.«
»Und damit hat man damals tatsächlich den
letzten Wolf zur Strecke gebracht?« Mendelski guckte skeptisch.
»Ja, so wird’s erzählt.«
»Mit einer Wolfsfeder? Oder Saufeder?«
Maike zog ihre Nase kraus. »Wie sieht so ‘n Ding denn aus?«
»Wie ein Speer«, antwortete Kai, »’ne
Klinge an einem circa zwei Meter langen Holzstab.«
»Wirft man die etwa?«, wollte sie wissen.
»Nein.« Kai grinste. »Die benutzt man wie
einen Spieß. Man sticht damit auf das Wildschwein ein. Wenn es zum Beispiel von
Hunden gestellt ist.«
Maike schüttelte sich vor Ekel.
»Aber das ist lange her«, relativierte Kai
rasch. »Heutzutage jagt kaum noch jemand mit ‘ner Saufeder. Heute benutzt man
Feuerwaffen.«
»Ich hab dir mal eine gezeigt«, fügte
Mendelski hinzu. »Weißt du noch, unser desaströses Schneeabenteuer? Damals in
der Jagdhütte auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Bergen?«
Maike warf ihm einen vorwurfsvollen Blick
zu. »Das werde ich wohl kaum jemals vergessen – der Höhepunkt
ermittlerischen Treibens.«
»Da hing auch eine an der Wand.«
»Jetzt mal Klartext«, fuhr Kai gereizt
auf. »Was reiten Sie eigentlich so auf unserer Wolfsfeder herum? Ich dachte, es
ginge Ihnen um den Pool?«
»Und dessen Umgebung …« Mendelski
stockte, griff in die Jackentasche und kramte sein Handy hervor. Der Klingelton
war immer noch ausgeschaltet, das Telefon vibrierte lediglich.
Die Nummer auf dem Display sagte ihm
nichts. Er wollte den Anruf wegdrücken, besann sich aber anders.
»Mendelski«, sagte er ins Telefon und
erhob sich langsam vom Tisch. Während er wortlos einer aufgeregten Männerstimme
zuhörte, öffnete er die Hüttentür und trat auf die Veranda hinaus.
* * *
Jetzt wartete er schon eine
geschlagene Stunde. Von Bartling hatte ihn am Telefon dazu verdonnert, sich
nicht von der Stelle zu rühren, nichts anzurühren und unbedingt auf ihn zu
warten. Die Sache wäre zu heikel, um Ferndiagnosen abzugeben oder
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