Wolfsfeder
näher an die Tür heran und fuhr fort: »Ziemlich genau an der Stelle am
Streckenplatz, wo sich die Wolfsangel befand, lag der erste der Brüche, die uns
schließlich hierhergeführt haben. Zu einer weiteren Wolfsangel. Ist doch merkwürdig,
oder?«
»In der Tat.« Von Bartling schien das
Gehörte erst einmal verdauen zu müssen. »Ich habe keinerlei Idee, was das Ganze
soll. Sie etwa, Herr Jagau?«
»Ich? Äh … nein«, stammelte der
Forstwirt verdattert. »Keine Ahnung.«
»Können wir da mal hineinschauen?«, schlug
Mendelski vor. »Vielleicht finden wir ja in der Hütte eine Antwort.«
»Natürlich, einen Moment, bitte.« Von
Bartling trat zum Fensterladen rechts neben der Tür. »Leuchten Sie doch mal
hierher.«
Der Strahl der Taschenlampe erfasste jetzt
von Bartling, dessen rechte Hand hinter einem losen Brett verschwunden war.
»Der Schlüssel ist nicht an seinem Platz«,
sagte er ärgerlich. »Hat der Pagel ihn doch tatsächlich mit auf den Hochsitz
genommen … das ist eindeutig gegen unsere Absprache.«
»Sie verstecken den Schlüssel einfach so
hinter einem Brett?«, wunderte sich Maike Schnur. »Bricht denn da niemand ein?«
»Ach wissen Sie, junges Fräulein! Wenn
jemand unbedingt in die Hütte möchte, dann schafft er das auch. Ob mit Gewalt
oder ohne. Außerdem: In der Hütte ist nichts zu holen. Daher lassen wir auch
die Fensterläden offen.«
»Heile Welt hier draußen«, murmelte Maike.
»Was jetzt?«
»Die Tür ist gar nicht abgeschlossen«,
hörten sie plötzlich Jagau sagen. »Schauen Sie …« Der Forstwirt hatte die
Klinke heruntergedrückt und die Tür einen Spalt weit geöffnet.
»Halt! Warten Sie!«, rief Mendelski.
»Lassen Sie besser mich vorgehen.
* * *
»War da nicht eben ein Licht?«
»Wo?«
»Da oben im Schlafzimmer der Hogreve?«
»Woher weißt du denn, wo die Hogreve ihr
Schlafzimmer hat?« Kai schaute seinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Ich hab da eben ein Flackern gesehen.«
Kai strengte seine Augen an. »Nö, da ist
alles duster«, sagte er. »Die ist ja auch gar nicht da. Weiß der Teufel, wo die
steckt …«
Kai musste sich insgeheim eingestehen,
dass ihm das Verschwinden der Haushälterin wenig Kummer bereitete. Viel mehr
machte ihm zu schaffen, was er vorhin – mehr oder weniger
unbeabsichtigt – aus dem Arbeitszimmer mitbekommen hatte. Wie es schien,
hatte sein Vater mit einer Frau telefoniert. Mit einer verheirateten Frau. Es
hatte sehr vertraut geklungen. Sein Vater und eine Geliebte? Nach all den
Jahren … Und sein Vater hatte sich bei dieser Frau um ein Alibi für die
vorletzte Nacht bemüht. Brauchte er das denn?
»Hey, träumst du?« Finn unterbrach die
Gedankengänge seines Freundes. Denn Kai hatte ihm von alledem nichts erzählt.
»Schon okay. Ich dachte nur …«
»Vielleicht ist sie ja mit dem Wiegand
durchgebrannt«, flachste Finn, während er sich sein Fahrrad schnappte.
Gemeinsam schlenderten sie über den Hof in Richtung Straße.
»Hör mir bloß mit Wiegand auf.« Kai packte
die kalte Wut. »Wenn der schuld ist an Yadiras Tod, dann Gnade ihm Gott.«
»Und wie geht’s nun weiter?« Bevor Finn
sein Fahrrad bestieg, klickte er den Dynamo an den Vorderreifen.
»Morgen ist Samstag. Da kommt er sowieso
nicht zu uns. Entweder findet ihn die Polizei, um ihn auszuquetschen –
oder wir machen das. Hast du morgen früh Zeit?«
»Ich denke schon. Sonst nehme ich sie
mir …« Mit bitterer Stimme fügte Finn hinzu: »Das sind wir Yadira
schuldig.« Dann schwang er sich auf den Sattel.
»Also bis morgen dann.«
Als Kai zurück zum Haus ging, warf er noch
einmal einen Blick zu den beiden Fenstern der Hogreve hinauf. Dort war alles
dunkel, nicht mal ein noch so schwacher Lichtschimmer war zu sehen.
* * *
Wie tot lag er da. Vor dem Sofa,
auf einer Sauschwarte hingestreckt, bäuchlings und alle viere weit von sich.
Der Lichtstrahl der Taschenlampe geisterte
über die Gestalt. Das Gesicht blieb im Dunklen, da es zum Sofa gewandt war.
»Mein Gott!«, rief von Bartling entsetzt.
Er hatte hinter Mendelski die Jagdhütte betreten und schaute dem Kommissar über
die Schulter. »Was ist passiert?«
»Langsam!«, befahl Mendelski. »Bleiben
Sie, wo Sie sind.«
Er ging vorsichtig neben dem Mann am Boden
in die Hocke, prüfte Atmung und Puls, schaute in das Gesicht – und gab
Entwarnung.
»Der ist nicht tot«, sagte er, die Nase
rümpfend. »Nur halb. Man kann es schon riechen: Der liegt im Delirium, blau wie
eine
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