Wolfsfeder
Irene
Hogreve überwältigt, sie gefesselt und geknebelt im Schuppen eingesperrt und
war danach verschwunden.
»Das ist ja der Hammer.« Maike hatte den
Thaerplatz überquert und bog nun rechts in die Mühlenstraße ein. »Da haben wir
ja wohl unseren Täter.«
»Noch ‘ne Neuigkeit.« Mendelski klammerte
sich an den Griff über seinem Kopf, als Maike schneidig in die Kurve ging. »Das
Knochenstückchen, das wir gestern im Pool gefunden haben, ist tatsächlich ein
Stück von dem Amulett der Toten.«
»Na, wer sagt’s denn? Fall gelöst!«
* * *
In der Notaufnahme des
Allgemeinen Krankenhauses interessierten sich noch andere für Wiegands
Befinden. Kai und Finn standen auf dem Flur und sprachen mit einer Ärztin,
einer jungen drahtigen Blondine mit Kurzhaarschnitt.
»Wenn Sie keine direkten Angehörigen von
Herrn Wiegand sind«, sagte sie gerade zu den beiden, »darf ich Ihnen keine
Auskunft geben. Tut mir leid.«
Sie wandte sich mit fragendem Blick
Mendelski und Maike Schnur zu, die zu der kleinen Gruppe gestoßen waren. Kai
und Finn traten einen Schritt zurück und schauten verlegen zu Boden.
»Und was kann ich für Sie tun?«, fragte die Ärztin
reserviert, während sie ihre Hände in den Kitteltaschen vergrub.
Mendelski zog seinen Dienstausweis und
stellte sich und seine Kollegin vor. »Dürfen wir Sie kurz sprechen? Es geht um
Ihren Patienten Rolf Wiegand.«
»Sicher«, antwortete sie etwas weniger
zurückhaltend. »Kommen Sie bitte mit.«
»Und Sie zwei warten hier auf uns«, sagte
Mendelski an Kai und Finn gerichtet. Sein strenger Blick duldete keinerlei
Widerrede. »Wir haben ja wohl einiges zu besprechen.«
Die beiden nickten betreten und schlichen
in den Warteraum. Ihr schlechtes Gewissen hatte sie lammfromm gemacht.
»Er hat einfach riesiges Glück
gehabt«, sagte die Ärztin, nachdem sie sich in einem Untersuchungsraum
zurückgezogen hatten. Mendelski hatte der Medizinerin kurz die Vorgeschichte
und ihren Verdacht gegen Wiegand erläutert. »Im Grunde geht es ihm überraschend
gut. Allerdings hat er mehrere, teils schwere Verletzungen erlitten.«
»Welcher Art?«
»Multiple Frakturen der
Unterschenkelknochen, dazu jede Menge Hämatome, Hautabschürfungen und eine
Platzwunde am Unterkiefer. Er ist zwar bei Bewusstsein, darf aber nicht
sprechen, da die Unterlippe genäht werden musste. Sobald der OP frei ist, werden die Beine operiert.«
»Halten Sie ihn für suizidgefährdet?«
»Schwer zu sagen.« Sie zuckte mit den
Achseln. »Einigermaßen deprimiert schaut er schon drein. Mit zwei mehrfach
gebrochenen Beinen ist seine Bewegungsfreiheit allerdings erheblich
eingeschränkt. Außerdem ist ständig jemand in seiner Nähe.«
»Können wir kurz zu ihm?«
Die Ärztin schüttelte resolut den Kopf.
»Wie gesagt, er darf nicht sprechen. Und mit dem geschwollenen Gesicht wird er
ohnehin kaum ein verständliches Wort herausbringen.«
»Trotzdem.« Mendelski blieb hartnäckig.
»Es ist wichtig. Vielleicht hat er einen Mord auf dem Gewissen.«
Die Ärztin seufzte genervt. »Wenn Sie
unbedingt darauf bestehen … ich werde mal sehen, was sich machen lässt.
Gehen Sie bitte solange in den Warteraum.«
Allein und wie die Unglücksraben
hockten Kai und Finn auf den Plastikstühlen im unpersönlich und steril
wirkenden Warteraum. Als Mendelski und Maike eintraten, erhoben sich die
beiden.
»Bleiben Sie ruhig sitzen«, forderte
Mendelski sie auf und schob sich den nächstbesten Stuhl zurecht. Nachdem sich
auch Maike gesetzt hatte, sagte er: »Nun erzählen Sie uns erst mal der Reihe
nach, was überhaupt passiert ist.«
Kai berichtete. Erst zaghaft und unsicher,
dann zunehmend flüssiger und bestimmt, erzählte er vom gestrigen Abend, dem
mysteriösen Verschwinden von Frau Hogreve, ihrem plötzlichen Wiederauftauchen
heute Morgen und von ihrem Horrorerlebnis mit Wiegand. Damit wollte er sein und
Finns Vorhaben rechtfertigen, den Gärtner zur Rede zu stellen. Dass sie die
Streifenpolizisten vor Wiegands Haus beobachtet hatten, ließ er wohlweislich
unerwähnt. Schließlich berichtete er von der Verfolgungsfahrt zur Eisenbahnbrücke
und davon, wie Wiegand ohne Vorankündigung von der Brücke gesprungen war.
»Sie haben wirklich noch im Land Rover
gesessen, als Wiegand sprang?«, wollte Mendelski wissen.
»Ganz sicher«, erwiderte Kai. »Wir waren
ja völlig geplättet, nachdem er uns sein Fahrrad vor den Wagen geschmissen
hatte.«
»Sie haben ihn auch nicht anders bedroht?
Mit ‘ner Jagdwaffe
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