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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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wird sich zeigen.«
Steigenberger wandte sich zur Tür. »Also dann, Sie machen wie besprochen
weiter. Und haken Sie noch mal in der Gerichtsmedizin nach – und im Labor.
Auch wenn Wochenende ist, bei diesem Fall brauchen wir jede denkbare Unterstützung.«
Er öffnete die Tür zum Gang, drehte sich aber noch einmal um. »Vielleicht liegt
der Wiegand gar nicht so falsch. Vielleicht verdächtigt er den Richtigen.«
    * * *
    Sie befanden sich auf der B191,
auf der Höhe des Blitzautomaten in Hornshof, als Mendelskis Handy klingelte. Er
nahm das Telefonat an und steckte das Gerät nach einem knappen Wortwechsel in
die Halterung der Freisprechanlage, damit Maike mithören konnte. Denn die
Anruferin war Frau Dr. Grote.
    »Mir haben die Hämatome an der Leiche des
Mädchens keine Ruhe gelassen«, erzählte sie. »Deswegen bin ich heute Morgen
noch einmal in die Gerichtsmedizin und habe mir die Blutergüsse gründlich
vorgenommen.«
    »Und?«, fragte Mendelski ungeduldig.
    »So gleichförmig, wie sie sind, müssten
sie alle gleichen Ursprungs sein.«
    »Ja, und weiter?«
    »Bei einem der Blutergüsse bin ich dann
fündig geworden.«
    »So?«
    »Sie sind winzig, aber ich habe es
geschafft, sie sicherzustellen. Ich habe sie auch schon ins Labor geschickt.«
    »Was, in Gottes Namen, meinen Sie denn?«
Mendelski schlug mit der flachen Hand auf sein Knie.
    »Winzige Splitter. Splitter von dunklem
Holz.«

ELF
    In Hannover musste sie
umsteigen. Vom ICE , der zwar
weiter in Richtung Celle fuhr, dort aber nicht hielt, in den Metronom genannten
Regionalzug. Ein freundlicher älterer Mann, der sowohl Spanisch als auch
Englisch sprach und in die gleiche Richtung fuhr, half ihr, sich in dem
Fahrplan zurechtzufinden. Sie musste das Gleis gar nicht erst verlassen und
hatte auch nur wenige Minuten Aufenthalt.
    In Großburgwedel stieg der freundliche
Herr aus, sodass sie die letzten wenigen Kilometer bis zu ihrem Zielort Celle
ohne Sitznachbar zurücklegte. Die schnurgerade Bahnlinie führte durch
ausgedehnte Kiefernwälder. Verwundert stellte sie fest, dass die Heidekiefern
denen aus den Bergen ihrer karibischen Heimat sehr ähnelten.
    Als der Metronom in den Hauptbahnhof von
Celle einfuhr und sie sich von ihrem Sitz erhob, wurde ihr vor Aufregung
schwindlig und ein bisschen übel. Mit letzter Kraft zog sie den Koffer aus der
Gepäcknische und hastete zur Tür des Waggons, die sich automatisch geöffnet
hatte. Auf wackeligen Beinen stieg sie aus dem Zug.
    In der Bahnhofshalle steuerte sie ein
öffentliches Telefon an. Nachdem sie den Koffer abgestellt hatte, kramte sie
einige Euro-Münzen und den Zettel mit der Telefonnummer aus ihrer Handtasche
hervor.
    Sie hatte das Geld eingeworfen und bereits
die Tasten gedrückt, als sie den Mann wahrnahm.
    Direkt neben dem Fernsprecher saß er auf
dem Boden, den Rücken gegen einen Fahrkartenautomaten gelehnt. Sein gerötetes,
seit Wochen unrasiertes, faltenreiches Gesicht ließ eine Schätzung des Alters
nicht zu. Die strähnigen Haare schienen seit Wochen weder Wasser, geschweige
denn Shampoo gesehen zu haben. Er war in dreckstarrende Lumpen gehüllt, und
auch der Rest seines Äußeren sah völlig verwahrlost aus. Zu seinen Füßen hockte
ein struppiger Mischlingshund, der eine Untertasse mit ein paar Geldstücken zu
bewachen schien.
    In der Dominikanischen Republik gehörten
Bettler in das Straßenbild einer jeden Stadt. Doch dass es sie auch im reichen
Deutschland gab, hatte sie nicht erwartet.
    Der Mann starrte sie mit großen Augen an.
    Dann wanderte sein Blick zurück zu der
zerknitterten Zeitung, die auf seinem Schoß lag. Es war die » CZ «, die »Cellesche Zeitung«vom Freitag, vom Vortag also.
    Ungläubig schüttelte er den Kopf und
schaute verblüfft wieder zu ihr hoch. Als er ihren ängstlichen Blick bemerkte,
drehte er die Zeitung um und hielt ihr die Titelseite hin.
    Sie zuckte zusammen und ließ den
Telefonhörer fahren. Mit zitternden Händen griff sie nach der Zeitung und
betrachtete entsetzt das Bild.
    Die junge Frau auf dem Foto erkannte sie
sofort. Es handelte sich um eine hübsche Farbige mit dem gleichen pechschwarzen
Lockenkopf, wie sie ihn hatte. Sie sah ihr zum Verwechseln ähnlich. Unter dem
Foto stand der Name der abgebildeten Person.
    »Die ist tot, mausetot«, krächzte der
Penner. »So eine verdammte Ähnlichkeit …«
    Als er merkte, dass sie ihn nicht
verstand, deutete er auf das Foto und fuhr sich in einer raschen Bewegung mit dem
Zeigefinger über die Kehle.

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