Wolfsfeuer (German Edition)
ihre Umgebung schweifen. Es gefiel ihr hier. Sie konnte sich sogar vorstellen, sich in das Dorf zu verlieben.
Früher hatte die Vorstellung, ein Werwolf zu sein, sie zutiefst entsetzt. Sie hätte die letzte Kugel in ihrer Waffe für sich selbst aufgespart, um dem Verlust ihrer Menschlichkeit zu entgehen. Nun verstand sie …
Eine Tür wurde geöffnet. Mit angehaltenem Atem drehte sie sich zu Julians Haus um. Doch dort regte sich nichts, und ihr Herz kam flatternd zur Ruhe.
»Psst! Alex!« Cade lehnte sich aus der Hintertür des Labors. »Hast du Lust, heute Nacht mit mir einen Spaziergang zu unternehmen?«
Alex schaute noch einmal zu Julians Blockhütte zurück. Sie mussten sich unterhalten, aber das konnte warten. Abgesehen davon …
Sie wandte sich zu Cade um und winkte. Sie konnte ein bisschen Aufheiterung vertragen.
Ein Klopfen an der Tür riss Julian aus dem Schlaf. Verwirrt streckte er die Hand nach Alex aus, nur um ebenso verwirrt festzustellen, dass sie gar nicht da war.
Der Mond schien in sein Schlafzimmer und weckte Sehnsucht in ihm. Er würde sie finden, dann würden sie, nur sie beide, durch die Nacht tollen. Doch zuerst musste er den ungebetenen Besucher abwimmeln, wer auch immer er sein mochte.
Er entdeckte seine Hose und sein Hemd in der Zimmerecke, doch Alex’ Sachen waren weg. Auf dem Weg zur Tür suchte er im Bad und in der Küche, aber sie war nicht da. In Anbetracht der Tatsache, dass er sich nicht vor Magenschmerzen krümmte, konnte sie nicht weit entfernt sein.
Julian riss die Haustür auf. Der Mann davor hätte ihm fast auf die Nase geklopft.
»Knut.« Julian zog gerade noch rechtzeitig den Kopf zurück, um der riesigen, keulenförmigen Pranke auszuweichen.
»Neil«, korrigierte der Mann ihn mürrisch, bevor er den Arm senkte, dessen Umfang es mit den Baumstämmen in Julians Wänden aufnehmen konnte.
Neil mochte es nicht, wenn man ihn Knut nannte, was Julian ihm nicht verdenken konnte. Aber manchmal vergaß er es einfach. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten zusammen gekämpft und als Werwölfe zusammengelebt. Er kannte Knut so lange, wie er Cade kannte.
»Joe sagte, dass du nach mir suchst.«
Nicht aktiv. Bisher. Aber er hätte es noch getan. Vorausgesetzt er konnte seine Gedanken lange genug auf ihr derzeitiges Problem konzentrieren und seine Hände lange genug von Alex fernhalten.
»Wo warst du?«, wollte Julian wissen.
»Angeln.«
»Zwei ganze Wochen?«
»Ich mag Fisch.« Neil streckte sich zu seiner ganzen beachtlichen Körperlänge von einem Meter fünfundneunzig. Es erforderte tatsächlich eine Menge Fisch, um Neil satt zu kriegen. »Seit wann interessiert es dich, was ich tue?«
»Seit jeden Tag ein Inuit stirbt.«
Ein Stirnrunzeln überschattete Neils wettergegerbtes Gesicht. »Und was genau hat das mit mir zu tun?«
»Vielleicht hätte ich sagen sollen jede Nacht.«
Neil kapierte die Anspielung sofort. »Einer von uns bringt sie um.«
»Ja, falls du auf deinen Ausflügen nicht irgendwo einen unbekannten Werwolf gewittert hast.«
»Nein.« Neils blassblaue Augen wurden schmal. »Du hast mich verdächtigt.«
Schon vielen war der Fehler unterlaufen, Neils ruhige Ausstrahlung und seine riesenhafte Statur damit gleichzusetzen, dass er geistig als auch körperlich langsam sein musste. Sie hatten einen grausamen Tod durch sein Schwert gefunden.
»Du warst fort «, betonte Julian, »und sie starben .«
Neil holte Luft, sah weg und wieder zurück. »Wen hat es zuerst erwischt? Die Weise Frau?«
Julian blinzelte. »Woher weißt du das?«
Neil presste die Lippen zusammen und fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzes, schmutzig blondes Haar. Ganz gleich, wie viele Jahrhunderte ins Land gingen, wie kurz er sein Haar schor oder wie viele Flanellhemden er sich zulegte, Neil würde nie als etwas anderes durchgehen können denn als nordischer Krieger.
»Und ich dachte, er ist darüber hinweg.«
»Wer ist über was hinweg?«
»Ich hätte es dir gesagt, wenn er in den letzten zwei Jahrhunderten eine Weise Frau gefressen hätte.« Neil sah Julian in die Augen. »Das schwöre ich.«
»Wer … «, begann Julian, dann dämmerte ihm die Antwort.
Er stieß Neil zur Seite und rannte barfuß und mit nacktem Oberkörper durch den Schnee.
Alex folgte Cade durch die mondhelle Nacht. Sie genoss diesen Ausflug kein bisschen. Sie hatte gedacht, dass zwischen Werwölfen eine Bindung entstand, wenn sie zusammen im Mondschein auf Wanderschaft gingen. Dass es sozusagen das
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