Wolfsfeuer (German Edition)
Äquivalent zu einem Kaffeekränzchen unter Mädchen und einem Pokerabend unter Jungs wäre.
Stattdessen bekam sie immer wieder Eis und Schnee ins Gesicht, während sie eine gefühlte Ewigkeit Cades hellbrauner Rute hinterherhechelte. Kein Herumspringen, kein Umhertollen, kein Ringen, kein Spiel. Kein Spaß.
Zumindest hatten sie sich nicht zu weit vom Dorf entfernt. Sie fühlte sich nicht krank. Aber sie vermisste Julian. Sie wünschte, sie wäre zu Hause geblieben und später mit ihm aufgebrochen.
Anfangs hatten sie und Cade in immer weiteren Abständen Barlowsville umkreist. Alex war ein neuer Wolf und mit dem Prozedere nicht vertraut. Ihr kam es ein bisschen spanisch vor, aber Cade schien Freude daran zu haben. Jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, grinste er über beide Ohren.
Schließlich hatten sie das Dorf hinter sich gelassen, und das Terrain wurde noch rauer, falls das überhaupt möglich war. Trotz ihrer Wolfspfoten geriet Alex ins Straucheln, stürzte und rutschte eine Böschung hinunter, bevor sie in einem Wassertümpel landete, der so kalt war, dass sie nicht verstand, warum er nicht zugefroren war.
Sobald sie aus dem eisigen Wasser heraus war, hielt sie Ausschau nach Cade und schnaufte überrascht, als sie entdeckte, dass er gerade hinter einer ziemlich großen Baumgruppe verschwand. Sie setzte ihm nach, indem sie seinen Schwanz im Blick behielt, obwohl die Dichte der Äste das Mondlicht weitgehend abhielt.
Endlich brach sie aus dem Dickicht und fand sich auf einer Lichtung wieder, auf der ein von Bäumen und Schneebergen umgebenes Haus stand – eine Oase in einer Eiswüste.
Mangels Beleuchtung war das Gebäude nicht mehr als ein Schemen; nicht die dünnste Rauchfahne kräuselte sich aus dem Kamin; nirgendwo ein Hinweis auf einen Generator. Cade trottete an dem riesigen Monstertruck vorbei, der vor dem Gebäude parkte. Wie war der hierher gelangt? Es gab weit und breit keine Straße.
Alex entfuhr ein nervöses Geräusch, als Cade geradewegs auf die Tür zuhielt. Was hatte er vor?
Das wurde eine Sekunde später offensichtlich, als Cade sich zu voller Körpergröße aufrichtete, seine nackte Haut silbrig schillernd. Er streckte die Hand aus und öffnete die Tür.
In der Befürchtung, jeden Moment Schreie und Schüsse zu hören, zog Alex den Kopf ein, aber nichts passierte. Vielleicht war dies Cades Rückzugsort vom Labor, wo er Erholung von seiner seltsamen Wissenschaft fand. Sie hätte vollstes Verständnis.
Die Vorstellung, hineinzugehen, Wärme, ein Handtuch, vielleicht sogar Kleidung zu finden, wurde zunehmend verlockend, als das Wasser in ihrem Fell zu Eis gefror, bevor es zu knacken und zu brechen begann und wie Graupel um ihre Pfoten rieselte.
Die natürliche Scheu eines Wolfs vor einer menschlichen Behausung ließ sie zaudern; nervös scharrte sie mit den Pfoten, trabte auf und ab. Sie würde erst hineingehen können, nachdem sie …
Alex schloss die Augen und leitete die Verwandlung ein. Die Metamorphose dauerte länger als bei Cade. Andererseits war der auch beinahe so alt und damit so mächtig wie Julian.
Kaum dass sie zwei Beine hatte statt vier, eilte sie ins Haus.
»Schließ die Tür«, erklang Cades Stimme irgendwo zu ihrer Rechten. Alex gehorchte, und dann konnte sie mit ihren menschlichen Augen nicht mehr viel erkennen. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, sodass kein Mondlicht hereindrang.
»Ist das dein Haus?«, fragte sie.
»Jetzt schon.«
Ein Licht ging an; es war so hell, dass Alex blinzeln musste. Als die schwarzen Flecken verschwanden, sah sie, dass Cade eine tragbare Laterne auf den Kaminsims gestellt hatte. Die Lampe spendete genügend Licht, um das winzige Zimmer bis in den letzten Winkel zu erhellen.
Die Blutflecken auf dem Boden, der Korb voller Spielsachen in der Ecke, Hunderte Fotos von Alana Barlow, die jeden Zentimeter der Wände bedeckten …
Langsam richtete Alex den Blick von den Fotos auf Cade, dabei wusste sie, noch bevor sie sein Gesicht sah, dass sie in der Klemme saß.
Julian konnte sein Tempo gerade lange genug zügeln, um nicht durch die Labortür zu brechen; er konnte sich gerade so weit beruhigen, um nicht nach seinem Bruder zu brüllen. Bis er feststellte, dass das Gebäude verwaist war. Da brüllte er wie der Teufel.
Doch als er Alex’ Kleidung entdeckte, brachte er keinen Ton mehr heraus.
Ein Schatten fiel auf Julian, der neben der akkurat gefalteten schwarzen Hose und der weißen Bluse am Boden kniete. Er wiegte einen ihrer
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