Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfeuer (German Edition)

Wolfsfeuer (German Edition)

Titel: Wolfsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
Finnegan genannt hatte.
    Was das betraf, teilten sie alle dieselbe Einstellung; sie sprachen mit ihr, als würden sie nicht im EAT -Café, sondern bei Alex zu Hause am Küchentisch sitzen.
    Sie verhielten sich auch wie langjährige Freunde. Alex hätte deswegen ein schlechtes Gewissen haben müssen, doch sobald es sich regte, rief sie sich die Erinnerung an die letzte Nacht ihres Vaters in den Bergen ins Gedächtnis, und das Schuldbewusstsein erstarb.
    »Ich würde gern noch etwas Kaffee nehmen«, bat Daniel und machte sich mit einem Appetit über seine Mahlzeit her, der im krassen Widerspruch zu seinem höflichen Gebaren stand.
    Alex drehte ihre Runde mit der Kaffeekanne und füllte nicht nur ihren Kunden, sondern auch Cyn nach. Sie hatte vor Jahren gelernt, dass man einen Anschiss riskierte, wenn man mit einer vollen Kanne an jemandem vorbeihastete, dessen Tasse halb leer war, und ihm nichts anbot – und das war gewesen, bevor sie angefangen hatte, Werwölfe zu bedienen.
    Die Gespräche gingen hin und her. Alex erfuhr eine ganze Menge, nur indem sie zwischen den Tischen umherlief und Kaffee nachschenkte. Natürlich gab niemand zu, einen Jägersucher getötet oder einen Inuit verschlungen zu haben. Hatte sie das wirklich erwartet?
    »Nein«, nuschelte sie.
    »Nein was, meine Liebe?«
    Alex war wieder bei Daniel angelangt und füllte seine Tasse auf. »Ach, ich habe nur laut gedacht«, wiegelte sie ab. »Sag mal, wie lange bist du eigentlich schon ein Werwolf?«
    Daniel, der sich gerade einen kleinen Bissen Speck in den Mund gesteckt hatte, verschluckte sich. Dann fing er an zu röcheln. Alex erschrak, bis das mangelnde Interesse der anderen Gäste sie daran erinnerte, dass Daniel, obwohl er um Luft rang, nicht ersticken konnte.
    Alex reichte ihm ein Glas Wasser.
    »Warum fragst du das?«, würgte er schließlich hervor.
    »Hätte ich das nicht tun dürfen?« Alex beugte sich über die niedrige Trennwand, die den Arbeitsbereich des Lokals vom Gastraum abteilte, und stellte die Kanne auf die Heizplatte. »Ist das ›ungehörig‹?« Sie zeichnete um das letzte Wort Anführungszeichen in die Luft.
    Daniel nippte an seinem Wasser, dabei betrachtete er sie über den Rand des Glases mit seinen schokoladenbraunen Augen, bevor er es seufzend absetzte. »Jeder von uns hat eingewilligt, zu werden, was wir sind, was bedeutet, dass wir eine Sache gemein haben.«
    »Nämlich?«
    »Jeder von uns war entweder vom Tod bedroht oder führte ein mehr als beschissenes Leben.«
    Alex war froh, dass sie die Kaffeekanne abgesetzt hatte, denn sonst wäre sie ihr womöglich entglitten. Das Wort beschissen aus dem Mund des wohlerzogenen Daniel Finnegan zu hören, war schockierend und irrsinnig komisch zugleich.
    Jetzt war es an Alex zu husten, woraufhin Daniel ihr sein Wasser anbot. Sie nahm es – sie hatte keine Scheu mehr vor fremden Tassen, fremdem Besteck, fremdem Speichel; Bakterien konnten ihr nichts anhaben – und trank einen Schluck.
    »Besser?« Daniel tupfte sich die blitzblanken Mundwinkel mit einer Serviette ab, die völlig unbenutzt zu sein schien. Als Alex nickte, sprach er weiter. »Wir fragen einander nicht, wie wir wurden, was wir sind, weil wir uns nicht daran erinnern wollen, aus welchem Grund wir uns entschlossen, unsere Menschlichkeit aufzugeben. Dahinter steckt nie eine hübsche Geschichte.« Sein freundlicher Blick wurde hinterlistig. »Bei dir etwa schon?«
    »Nein«, antwortete sie, ohne zu zögern.
    Ihr Leben war nichts gewesen, womit es sich in einem Brief nach Hause anzugeben lohnte. Auch weil sie kein Zuhause gehabt hatte, an das sie hätte schreiben können. Keine Mutter, kein Vater, überhaupt keine Familie mehr. Ihr Leben hatte sich um den Tod und das Töten gedreht, mit dem sicheren Wissen, dass sie eines Tages das gleiche Schicksal wie ihr Vater erleiden und nach einer Werwolf-Attacke hilflos verbluten würde.
    Wenn man sie damals vor die Wahl gestellt hätte – Tod oder Lykanthropie – , hätte sie sich für Letzteres entschieden?
    Nein. Sie wusste, was sie auf der anderen Seite erwartete. Zumindest hatte sie das geglaubt.
    Bis sie nach Barlowsville gekommen war.
    »Du behauptest also, dass niemand dieses Leben wählt, es sei denn, sein Alltag ist dermaßen entsetzlich, dass er es nicht erwarten kann, ihn hinter sich zu lassen?«
    »Ja«, bestätigte Daniel.
    »Aber … du bist gern ein Werwolf, oder?«
    »Ja, das bin ich.« Er strich seine Krawatte glatt und setzte seinen Hut auf.
    »Warum sollte dann

Weitere Kostenlose Bücher