Wolfsfeuer (German Edition)
getan?«, fragte Julian verdutzt.
»Ich würde das arme Mädchen niemals hinauswerfen. Sie ist hier das Opfer.«
Julian schnaubte, dann wich er mit erhobenen Händen zurück, als Ellas Augen schmal wurden. Er war der Alpha, und das bedeutete auch, dass er schlau genug war zu wissen, wann es in seinem besten Interesse war, die Klappe zu halten.
»Du behauptest, seit einem Jahrhundert nicht mehr geplündert oder vergewaltigt zu haben, aber jemanden gegen seinen Willen zu einem Werwolf zu machen, ist eine Vergewaltigung.«
Er wollte etwas entgegnen, aber sie brachte ihn mit einer scharfen Handbewegung zum Schweigen.
»Du hast sie ihres Ichs beraubt.« Ella stolzierte zur Haustür, zog sie auf und sah sich zu ihm um. »Darüber solltest du nachdenken, Julian.«
Der Ärger hob Ellas Akzent hervor, sodass sein Name dieses Mal tatsächlich sehr französisch klang.
19
Wegen des mittäglichen Hauptansturms steckte Alex bis zu den Ellbogen in Arbeit, als Ella am Vorderfenster vorbeispazierte. Sie wollte schon nach ihr rufen, als die Französin zurückkam, durch die Scheibe spähte und die Tür öffnete.
Alex hatte einen letzten freien Platz am Tresen, und Ella besetzte ihn. »Hier bist du also«, stellte sie fest.
»Was dachtest du denn?«
Ella warf einen Blick in die Runde, dann senkte sie die Stimme. »Auf halbem Weg nach Juneau.«
Alex musste sich zu ihr beugen, um die Worte zu verstehen, dabei witterte sie einen Hauch …
»Julian«, wisperte sie.
Ella sah auf, und für einen winzigen Moment flackerte Schuldbewusstsein in ihren Augen. Aber weswegen? Lief da was zwischen Ella und Julian? Fürchtete sie, dass Alex etwas dagegen haben könnte?
Es war absurd, aber sie hatte etwas dagegen. Die Vorstellung, wie Julian mit dieser hinreißenden Französin im Bett lag, sie auf die gleiche Weise berührte, wie er Alex berührt hatte, entfachte solchen Zorn in ihr, dass sie sich zutraute, sich ebenfalls bei Tageslicht zu verwandeln.
Der robuste Plastikbecher in ihrer Hand, den sie gerade für den jungen Hispanonamerikaner am anderen Ende des Tresens mit Pepsi hatte füllen wollen, zerbarst in mehrere Dutzend Splitter. Jeder im Lokal drehte sich zu ihr um.
»Alex?«, fragte Ella leise. »Alles in Ordnung?«
»Äh, ja.« Alex warf die Plastiksplitter in den Müll. Ihre Handfläche schien keinen Schaden genommen zu haben, darum füllte sie einen frischen Becher für ihren Gast und stellte ihn behutsam vor ihm ab, bevor sie sich wieder Ella zuwandte.
Sie hatte sich etwas beruhigt, aber ruhig war sie noch lange nicht. Julians Duft, der jedes Mal, wenn die Tür aufging und der Luftzug Ella erfasste, in Alex’ Nase drang, machte sie wütend und nostalgisch zugleich. Sie vermisste ihn.
War das nicht unfassbar pathetisch?
»Warum sollte ich auf halbem Weg nach Juneau sein?«
»Weil ich es wäre, wenn er mir angetan hätte, was er dir angetan hat.«
»Er hat es dir erzählt?« Und das, nachdem er Alex beschworen hatte, ihre wahre Identität geheim zu halten, mit der Begründung, dass die Einheimischen ihren Tod wollen würden, sollte sie entdeckt werden. War Ella die Ausnahme von der Regel? Oder wollte Barlow sie nur den ersten Stein werfen lassen?
Alex ließ den Blick durch das Restaurant schweifen, um sicherzugehen, dass niemand zuhörte. Doch da sie von Werwölfen umringt waren, war eine private Unterredung … schlichtweg unmöglich.
»Was soll das alles?«, wisperte Alex.
»Er sucht dich.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Und jetzt werde ich ihn suchen.«
Alex musste sich in Geduld üben, bis der Strom der Essensgäste versiegt war. Sie konnte nicht einfach abhauen und Rose mit der vielen Arbeit allein lassen, außerdem stand nicht zu befürchten, dass Barlow irgendwo hingehen würde. Ella zufolge war er schon in Awanitok gewesen und nun auf dem Weg zu Cade. Bestimmt würde er dort noch sein, wenn sie hier fertig war.
Als sie das Lokal verließ, düste Ella gerade in Richtung Inuit-Dorf auf einem Motorschlitten vorbei und verschwand in der stetig dunkler werdenden Nacht.
Alex ging nach Hause, um sich umzuziehen. Das, was sie anhatte, roch nach Schinkenfett. Sie nutzte den Zwischenstopp noch schnell für eine Dusche, um den Geruch aus ihren Haaren zu waschen.
Es hatte ihr nie etwas ausgemacht zu kellnern, bloß wie sie anschließend miefte, mochte sie nicht. Jetzt, mit ihrer hypersensiblen Nase, ertrug sie den Geruch noch weniger.
Sie legte das Geld, das sie an diesem Tag verdient hatte, auf das
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