Wolfsfieber - Band 2
gutes Recht. Deshalb hielt er sich jetzt von mir fern. Er dachte vermutlich, dass ich ihm bewusst verschwiegen hatte, dass ich ein entscheidender Faktor in Valentins Plan war. Mit meiner sanften Istvan-hör-mich-an-Stimme sagte ich:
„Nein, Istvan. So ist es nicht. Ich war genauso überrascht wie du. Valentin und ich haben nur verabredet, dich mit allen Mitteln zu überzeugen, aber er wollte auch mir vorher nichts Genaues sagen. Du glaubst mir doch?“ Meine Frage war zittrig ausgesprochen, begleitet von einem flauen Magen und verhaltenem Herzschlag. Meine Augen flehten ihn jetzt an. Das brachte ihn dazu, die Distanz zu überwinden. Er nahm mich fest in den Arm. „Ich glaube dir“, hauchte er in mein Haar, worauf sich mein Körper wieder etwas entspannte. Ein „Gott sei Dank“ entfuhr mir. Was ihn zum Lächeln brachte.
„Istvan?“, sagte ich gedämpft von seiner warmen Brust.
„Hmm?“ „Wirst du dich darauf einlassen? Denn ich bin mehr als bereit, meine Rolle zu spielen. Und es ist mir egal, was ich dabei tun muss oder wie gefährlich es vielleicht sein könnte. Ich warne dich lieber schon mal vor. Ich bin fest entschlossen. Du kennst mich …“, deutete ich vorsichtig an. Er wusste, dass er keine Chance mehr hatte, mir die Sache auszureden. Unzufrieden grummelte er.
„Ich hab schon verstanden“, sagte er und seine herrliche Stimme wurde sehr tief dabei. „Du hast wieder diesen wild entschlossenen Ausdruck in den Augen. Das ist immer gefährlich. Du bist einfach unfassbar stur!“ Er schüttelte ungläubig den Kopf und küsste unerwartet meine Stirn. Mir wurde warm und das lag bestimmt nicht an den angenehmen Junitemperaturen.
„Dann sind wir uns also einig?“, wollte ich wissen, mich widerwillig aus seiner Umarmung befreiend, damit wir uns wieder in die Augen sehen konnten. Darin las ich nur verhaltene Zustimmung, aber auch Sorge.
„Na ja. Nicht gerade einig. Aber … Herrgott … ja … ich bin dabei!“
Mehr konnte ich wohl nicht erwarten. Als hätte er es geahnt, wohl eher, als hatte er es gehört, kam Valentin um die Ecke.
„Na dann. Auf in den Wald! Ich gehe dann und bereite alles vor. Eine passende Stelle für das Lagerfeuer hab ich schon im Auge. Sagen wir, wir treffen uns bei Sonnenuntergang. Dir fällt es ja nicht schwer, mich zu finden, falls ich eine noch bessere Stelle finde.“
Natürlich würde Istvan Valentin überall finden. Genauer gesagt, würde er überall seiner Spur folgen können, egal, ob es sich dabei um eine Fuß- oder eine Geruchsfährte handeln sollte. „Aber heute ist fast Neumond und deshalb wird es dunkel genug sein, damit niemand das Feuer oder unsere Anwesenheit bemerken wird“, fügte er noch grübelnd hinzu. Wir beide nickten nur verständig und hielten uns noch immer an den Händen. Es half, die Angst vor dem Unbekannten im Zaum zu halten.
„Dann sehen wir uns später“, sagte Istvan zu Valentin mit einem merkwürdigen Unterton, den dieser sofort verstand und daraufhin schnell verschwand. „Ich werde noch abschließen, geh du schon mal vor. Du möchtest dich doch bestimmt noch umziehen. Es könnte eine lange Nacht werden und du solltest auch eine Jacke mitnehmen“, meinte er beiläufig.
„Na gut. Ich werde inzwischen etwas für uns zum Essen machen.“ Es kam mir so falsch vor, jetzt über so etwas Banales wie Nahrung zu reden, aber was sollte ich sonst sagen. Wir wussten beide noch immer nicht, was genau uns erwartete.
Genau in dem Moment, als der letzte Lichtstreifen der Sonne am Horizont verschwand, kamen wir im Wolfstanzlager an. Istvan ließ meine Hand, die er fast eine halbe Ewigkeit gehalten hatte, los und machte ein Paar Schritte von mir weg. Wie er mir erklärte, erschwerte mein Geruch seine Sinne, deshalb war es nötig, dass er auf Abstand ging. Er schloss die Augen und sog mit hebender Brust die Luft durch die Nase in seine Lungen. Er machte es in alle Himmelrichtungen, ehe er sich sicher war. Dann streckte er seine Hand nach mir aus, schulterte mich auf seinen Rücken und begann mit mir in Richtung Nord-Westen davonzulaufen. Ausnahmsweise gab ich mal das brave Mädchen und beschwerte mich nicht über die für mich peinliche Art der Fortbewegung. Außerdem sprintete er mit mir in einem erträglichen Tempo, ganz anders als der unglaubliche Lauf, den er alleine beherrschte. So kamen wir in der tiefer gelegenen Senke erst an, als es schon merklich dunkler geworden war. Wäre der Feuerschein nicht gewesen, hätte ich die Hand vor
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