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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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Augen nicht erkennen können. Die tiefe Mulde, in der Valentin auf uns wartete, war eine fast perfekte Ellipse, zu der es aber keinen abgeflachten Zugang gab. Deshalb musste Istvan, noch immer mit mir und meinem rasendem Puls auf dem Rücken, hinabspringen. Dieses Mal schloss ich die Augen und hörte lediglich, wie seine Füße auf dem raschelnden Waldboden aufkamen. Erst dann wagte ich es, meinen verkrampften Klammergriff um seinen Hals zu lösen.
    „Daran werde ich mich nie gewöhnen“, stöhnte ich zittrig. Valentin lachte breit neben dem lodernden Feuer. Auch Istvan schmunzelte.
    Erst jetzt hatte ich die Ruhe, um mich umzusehen. Gar nicht so einfach, wenn man abseits des Feuerscheines so gut wie nichts erkennen kann. Aber Valentin war so umsichtig gewesen, alles, was wir brauchen würden, nahe ans Feuer zu stellen. Ich kam langsam näher und nahm alles in mich auf. Das Knistern des Feuers, das Lodern der züngelnden Flammen, den Wind oberhalb unserer Senke. Auf der einen Seite des Lagers lag ein roter Teppich, der mit vielen indianischen Bildern und Motiven bestickt war. Auf der anderen, auf der Valentin im Schneidersitz saß, war eine alte, braune Decke ausgebreitet, auf der ich mehrerer Schalen und Tonkrüge sah.
    Was wohl darin auf uns wartet?, fragte ich mich nervös. Istvan sah sich noch unbehaglicher und genauer um, als ich es tat. Auch er bemerkte die Schalen mit dem bunten Sand und das Notizbuch mit den schnörkeligen Anmerkungen zu Valentins Füßen. Wir teilten einen besorgten Seitenblick, ehe wir auf Valentin zugingen.
    „Genau richtig. Ich bin eben fertig geworden. Die Flammen lodern schon ganz hoch. Setzt euch doch!“, begrüßte er uns herzlich, ein wenig zu erfreut für die Situation und meinen Geschmack. Dann wies er uns mit einer ausladenden Geste an, uns auf den Teppich zu setzen. Bei der ganzen Szenerie kam ich mir mit meinem weißen T-Shirt, den Jeans und der Blouson-Jacke schrecklich unpassend vor. Mein überreizter Verstand fand es amüsant, mich aufzuziehen.
    Du hättest dir mal lieber ein paar Hippie-Klamotten zulegen sollen.
    Fast hätte ich hysterisch losgelacht, doch dann fiel mir auf, dass niemand außer mir den Witz mitbekommen hatte. Ich war nervös, und wie. Als ich mich rechts neben Istvan setzen wollte, der jede meiner Bewegungen mit Argusaugen beobachtete, schüttelte Valentin entschieden den Kopf. „Du musst links von Istvan sitzen! Genau auf der großen Abbildung“, wies er mich an und ich folgte, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte, wozu das gut sein sollte. Istvan blieb noch immer merkwürdig still. Meine Nervosität steigerte sich und begann langsam meinen Herzschlag auffällig zu beeinflussen. Er hörte es. Ich sah das verräterische Drehen seines Kopfes. „Alles in Ordnung. Das ist normal … unter den Umständen“, versicherte ich ihm und sogar mir fiel auf, dass meine Stimme kaum überzeugend war. Valentin nickte ständig zustimmend, auch wenn ich nicht wusste, was das sollte. Aber ich, wir beide mussten ihm jetzt blind vertrauen, wenn wir diese ganze Sache hinter uns bringen wollten. Und ich wollte doch unbedingt, dass es funktionierte. Unbedingt! Ich spürte, wie Istvan neben mir immer verkrampfter wurde, besonders als ihn Valentin ernst und ermahnend ansprach:
    „Sei dir über eines im Klaren. Das Ritual ist nicht ganz ungefährlich. Für euch beide nicht. Aber ich werde tun, was ich kann. Der Rest liegt an euch, besonders an dir, Istvan. Du musst dich nicht nur mit deinem Wolf aussöhnen, du musst dich auch deiner dunklen Seite stellen.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken, als er eine lange Pause machte.
    „Bist du sicher, dass du das kannst?“, fragte er Istvan todernst. Ich sah ihn jetzt eindringlich an und konnte die Angst in seinen Augen sehen, dennoch hörte ich ihn sagen: „Ja, ich kann das.“
    „Bist du also bereit? Bist du ganz sicher?“, fragte Valentin nach. Istvans Augen ruhten nun auch auf mir, musterten mich von oben bis unten. Dann drehte er sich zu Valentin um und sagte: „Ganz sicher!“
    „Bereit“, bestätigte ich ebenso kühn und zeigte beiden, dass ich nun keine Angst mehr hatte. Ich fühlte es unvermittelt. Die Veränderung war zum Greifen nah.
    „Ihr müsst das Ritual verstehen, wenn es richtig funktionieren soll. Die Indianer leben in einer Art Traum-Realismus. Für sie gibt es diese deutliche Grenze nicht. Wenn sie wichtige Entscheidungen treffen, führen sie einen künstlichen Traum herbei, der ihnen den

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