Wolfsfieber - Band 2
sagte er erregt und fuhr sich über den drahtigen Unterarm. „Kann fühlen, wie stark sie sind, wozu ich fähig bin. Wenn ich auf etwas springen will, muss ich nicht drüber nachdenken, wie ich es früher tat. Nachdenken ist nicht mehr nötig. Ich weiß instinktiv, wo und wie ich landen werde. Alles ist einfach …“
„… berauschend“, schlug ich vor. Istvan nickte heftig. Sein ganzer Körper war in Aufruhr geraten, während er erzählt hatte. Plötzlich packte er meinen Unterarm und sagte eindringlich:
„Joe, ich habe sogar Jakov herausgefordert. Ich konnte nicht anders. Ich musste wissen, ob mein Wolf mit seinem mithalten kann, wer gewinnen würde“. Ich schluckte kurz, ließ ihn aber weitersprechen, auch wenn sich seine Finger fester in meinen Unterarm gruben.
„Und?“, fragte ich erschrocken.
„Ich konnte es tatsächlich. Ich hielt mit ihm mit. Mehr sogar. Als ich mich völlig darauf einließ, war ich ihm überlegen. Ich muss zugeben, er hat es besser aufgenommen, als ich mir gedacht hätte.“ Plötzlich veränderte sich seine aufgebrachte Stimme, wurde ganz ernst und tief. Davon bekam ich einen dicken Kloß im Magen.
„Du weißt doch, warum ich das wissen musste, oder?“, fragte er. Flammend grüne Augen durchbohrten mich, wollten eine Antwort.
„Ja, ich kann es mir denken … wegen … ihm .“ Das letzte Wort hatte ich beinah verschluckt. Gut, dass ich nicht seinen Namen gesagt hatte. Wir nickten beide wissend, eifrig darum bemüht ihn, Farkas, so lange von uns fernzuhalten, wie wir nur konnten. Ich versuchte die Stimmung zu retten.
„Klingt, als hättest du eine aufregende Nacht gehabt“, säuselte ich nonchalante, legte mich zurück auf die Decke und stützte den Kopf auf meinen angewinkelten Unterarm.
„Klingt nicht nur so. War so“, murmelte er grinsend und legte sich mir gegenüber, genau in derselben Weise, hin.
Wir sahen uns lange schweigend an. Das Gesicht des anderen nur Zentimeter weit entfernt, zum Greifen nahe. Er sah mich wieder auf diese bestimmte Art an, als würde er mich einprägen. Warum wohl?
„Was geht hinter diesen blauen Augen vor?“, fragte er mit seiner sanften Stimme. Leicht rau. Unwiderstehlich. Während er auf eine Antwort wartete, steckte er mir eine losgelöste Strähne hinters Ohr.
„Du hast mir zwar gesagt, was jetzt besser ist, aber du hast das Wolfsfieber mit keinem Wort erwähnt. Auch die Verwandlung nicht. Ich frage mich, wieso?“, gab ich zu. Ich hatte Angst, ihm das zu gestehen. Er verbarg einen Teil seines Gesichts vor mir.
„Ich wollte nicht davon anfangen, weil es doch noch verhältnismäßig schmerzhaft ist. Aber wirklich, es ist erträglich, Joe! Du musst dir keine Sorgen machen … Ich will nicht , dass du dich um mich sorgst!“, sagte er streng.
„Dagegen kannst du nichts tun. Ich werde immer Angst um dich haben. So ist das nun mal“, gab ich ihm zu verstehen.
„Aber das will ich nicht. Du brauchst meinen Schutz. Ich muss mich um dich sorgen, nicht umgekehrt“, meinte er störrisch. Ich seufzte hilflos. „Du brauchst mich, so wie ich dich brauche. Und ich sorge mich genauso um dich, so wie du dich um mich. Daran wird nicht einmal dein Dickschädel etwas ändern.“
„Aber bei mir ist es etwas anderes. Ich bin nicht so …“, er suchte nach dem richtigen Wort, um mich nicht zu beleidigen oder wütend zu machen, „… leicht zu verletzen !“
„Denkst du, das weiß ich nicht“, unterbrach ich ihn heftig. Herrgott, ich verbrachte den Großteil meiner Zeit mit fast unverwundbaren Werwölfen! Ich habe es begriffen. Leider.
„Ich möchte dich nicht daran erinnern, aber es gibt mehr Arten Schaden zu nehmen, als nur körperlich“, deutete ich an. Er verstand sofort, dass ich damit Farkas gelungene Psychospielchen meinte.
„Ja“, sagte er mit gesenktem Blick. „Du hast schon recht. Aber ich möchte nicht, dass du irgendwann etwas Dummes tust, weil du der irrigen Ansicht bist, mich beschützen zu müssen. Das wäre es nämlich wirklich: dumm , so etwas zu versuchen. Besonders jetzt, wo ich mich als brauchbarer Krieger entpuppt habe“, sagte er, um seine Forderung etwas zu entschärfen.
„Ich kenne meine menschlichen Grenzen. Aber ich werde dir nicht versprechen, still und stumm dabeizustehen, wenn ich eine Möglichkeit sehe, dir zu helfen, solltest du in Gefahr sein.“
„Genau das habe ich befürchtet“, seufzte er angegriffen.
Ich legte meine Hand auf seine Wange, damit er nicht mehr ganz so abgekämpft aussah.
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