Wolfsfieber - Band 2
eigene Geliebte und seine rumänische Ersatzfamilie sich in Werwölfe verwandeln. Doch das war längst nicht alles. Denn diese Nacht war keine gewöhnliche Verwandlungsnacht. In dieser Nacht sollte Istvan zum ersten Mal seit 75 Jahren ein Wolfsfieber durchstehen müssen, das sich nicht endlos quälend dahinziehen und ihn foltern würde. Endlich sollte er diese Verwandlung ganz natürlich erleben: schmerzvoll, aber schnell . Ich hoffte mehr als alles andere, dass es wirklich so kommen würde.
Die Sonne stand mittlerweile sehr tief. Ihre letzten Strahlen verschwanden hinter den Hügeln und Baumstämmen, hinterließen noch einen letzten Sommerstrahl, bevor sie der beginnenden Dunkelheit wich. Dies war die Zeit und die Herrschaft der Nacht. Und mit ihr kam, wie in jeder Verwandlungsnacht, der Vollmond. Mit jedem verstreichenden Augenblick wurde seine Macht und damit sein Einfluss auf Istvan stärker. Ich sprach nicht. Ich beobachtete nur, angespannt sitzend auf einem verrotteten Baumstumpf. Meine Beine hatte ich fest an meinen Oberkörper gezogen. Für jeden Unbekannten musste es aussehen, als wäre ich verängstigt. Doch der Wahrheit entsprach, dass ich aufgeregt war, furchtbar sogar. Ich wünschte es mir so sehr für ihn, dass ich mich nur darauf konzentrierte: Bitte! Lass es leichter sein. Lass es schnell gehen. Bitte mach, dass das Ritual das Wolfsfieber besänftigt hat!
Istvan bemerkte meine geistige Abwesenheit. Er trat aus dem Kreis seiner Freunde und kam zu mir, denn ich saß etwas abseits. In der beginnenden Dämmerung hätte selbst er düster ausgesehen, wenn er nicht so unglaublich attraktiv gewesen wäre.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Ich nickte nur, weil ich Angst hatte, dass meine Stimme mich verraten könnte. Doch das war alles vergebene Liebesmüh. Solange mein Herz schlug, konnte ich ihm nichts vormachen.
„Mein Herzschlag schon wieder?“, fragte ich, als ich an seinem Gesichtsausdruck sah, dass er mich längst durchschaut hatte.
Er nickte mitleidsvoll. Meine fehlende Privatsphäre verdiente es auch.
„Es ist nichts Schlimmes. Nur … ich möchte es so sehr, verstehst du? Für dich!“, sagte ich und legte mein Kinn auf die Knie. Er ließ sich zu mir herab, verstohlen beobachtet von den anderen, und balancierte seinen Körper auf den Ballen, um mit mir auf Augenhöhe zu kommen.
„Es klappt bestimmt. Sieh doch!“, sagte er und legte meine schlappe Hand auf seine Stirn, die mit einem feinen Schweißfilm überzogen war. „Du hast schon Fieber? Wieso hab ich das nicht bemerkt?“, stieß ich erstaunt hervor. Istvan schien gar nicht beunruhigt. Während er meine Finger von seiner Stirn nahm und meine Hand drückte, meinte er: „Ich habe das Wolfsfieber schon fast seit einer Stunde, aber es ist gar nicht so schlimm. Es ist mir auch erst aufgefallen, als die Gliederschmerzen angefangen haben … Doch, kein Vergleich zu früher. Wirklich!“
Sagst du das nur meinetwegen oder ist das auch die Wahrheit? Ich kann deine wahren Gefühle nicht so leicht lesen wie du meine, ging mir durch den Kopf, als ich seinen Körper besorgt musterte.
„Es geht bald los“, erinnerte ich ihn. „Du solltest dich jetzt nicht um mich kümmern. Ich komme schon zurecht. Geh wieder zurück und bring es hinter dich. Du kannst mir nachher sagen, wie es wirklich gewesen ist. Ich habe schon verstanden, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie für mich aussehen, wenn es um das Wolfsfieber und die Verwandlung geht“, quasselte ich aufgebracht vor mich hin und zog Istvan vorsichtig von mir weg, damit er wieder seinen Platz einnehmen konnte.
Er folgte meiner Aufforderung widerwillig. Ich sah es in seinen Augen. Er war nicht davon überzeugt, dass ich wirklich klarkommen würde. Also versuchte ich mich in einem aufmunternden Lächeln. Es musste erbärmlich aussehen. Das wusste ich, ohne es selbst zu sehen.
Nicht lange, nachdem Istvan den Kreis wieder vervollständigt hatte, begannen die ersten schlimmeren Symptome:
Die Muskelverhärtungen, die Krämpfe, die Adern pulsierten und schließlich begann das furchtbare Knacken der Knochen, die, wie alles andere auch, sich reduzierten und die Formen eines Wolfes annahmen. Auch wenn die eigentlichen äußeren Anzeichen sich bei Istvan kaum geändert hatten und ich seine unterdrückten Schreie mit klammem Herzen wahrnahm, ging diesmal alles so schnell, dass ich nicht wie gebannt und leidend jede einzelne Phase verfolgen konnte. Viel fließender und, auch wenn das Wort hier
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