Wolfsfieber - Band 2
war, derart leichtsinnig handeln. Er musste doch wissen, was er in mir auslöste, wenn er mir auf diese Weise nahe kam. Und dennoch war er gekommen, gegen jede Vernunft. Bedeutete das, dass er sich genauso elendig nach mir sehnte wie ich mich nach ihm?
Wenn ja, war der Tanz heute mein Zeichen, oder war er gar eine Einladung gewesen? Oder sah ich nur, was ich sehen wollte?
Das wäre gut möglich. Viel zu lange war es her, dass ich seine Hände auf meiner nackten Haut gefühlt hatte …
Ich kam mir schon fast lächerlich vor mit meinem feinen Kleid und den silbernen Schuhen, die so überhaupt nicht zu meiner Flanell-Bettwäsche passten. Wieso ich noch immer keinen Pyjama angezogen hatte, wusste ich nur zu gut. Ich spielte noch immer mit dem Gedanken, zu ihm zu gehen. Jetzt. Sofort. In dieser Nacht.
Die Gefahren, die damit einhergehen könnten, wurden mir von Minute zu Minute unwichtiger. Schienen nicht real zu sein, verglichen mit dem, was er mir in dieser Nacht geben könnte. Womöglich waren seine Bedenken völlig überzogen und sein Monster würde gar nicht erst die Oberfläche erreichen, wenn wir wieder richtig vereint wären, so wie früher. Vor alledem. Wann war ich bloß so pathetisch geworden?
Aber würde ich in offene Arme laufen, oder müsste ich wieder einmal meine ganze Überzeugungskraft aufbieten, wie schon so oft?
Dabei hatte ich schon mehrmals den Kürzeren gezogen, hatte verloren oder war drauf und dran gewesen, ein gebrochenes Herz davonzutragen. Dieses Mal hatte es sich aber anders angefühlt, so als wollte er, dass ich auf ihn zugehe. Wartete er bereits auf mich, konnte das sein? Würde er es als Ablehnung verstehen, wenn ich nicht zu ihm käme?
Ich war nicht bereit, das zu riskieren. Kein verletzter Stolz der Welt war es wert, diese Chance zu verpassen. Lauf! Los! , sagte ich mir.
Ich sollte schon längst auf dem Weg sein.
Plump stolperte ich über meine hohen, silbernen Pumps. Darin zu laufen, war eine zu große Herausforderung für mich. Ich vermisste plötzlich meine Lieblingsstiefel und beinahe wäre der hellblaue Saum gerissen.
Reiß dich zusammen! , ermahnte ich mich zum unzähligsten Mal, als ich Istvans versteckten, kleinen Garten erreichte. Es war kein Licht mehr auszumachen. Sein Haus schien dunkel. Vermutlich war er bereits zu Bett gegangen.
Schlief er bereits tief und fest? Also erwartete er mich gar nicht, oder doch? Schließlich war es weit nach Mitternacht. Auf einmal schien mir meine Eingebung kindisch und meine Rektion vollkommen überzogen. Wenn ich jetzt da reingehe und er mich zurückweist , dachte ich, dann würde mir das verdammt wehtun. Aber wenn doch, was, wenn er doch auf mich wartet? , ratterte es wie Gewehrschüsse in meinem Kopf.
Mein dummes Herz, das jetzt schmerzhaft zu pochen begann, flehte meinen Verstand an, er solle sich bitte verziehen und aufhören, so viel zu grübeln.
Ich musste es versuchen. Das könnte alles verändern, vielleicht sogar zum Besseren. Und selbst wenn nicht, bekäme zumindest Valentin, was er wollte, was er für nötig und unumgänglich hielt:
Einen frustrierten Istvan, der genug motiviert wäre, wofür auch immer. Aber was wäre mit mir?
Ach was!
Ich konnte schon einiges verkraften. Das ganze letzte halbe Jahr lang, hatte ich es bewiesen. Also, Schluss mit dem Zaudern , ordnete ich streng an. Luft anhalten, Herzklopfen ignorieren, oder besser … nutzen!, befahl ich mir selbst und klopfte an Istvans Hintertür.
Er musste schon geschlafen haben, denn sonst hätte er mich längst gehört, besonders mit diesem Puls.
Es dauerte eine Weile, fast eine Ewigkeit, dann hörte ich den Schlüssel. In diesem Licht waren seine Augen dunkel, noch grün, aber anders. Ich erstarrte innerlich, versteinerte förmlich.
„Ich dachte schon, du würdest nie reinkommen. Kam mir ganz schön lächerlich vor, die ganze Zeit im Flur zu warten!“, flüsterte er von einem sanften Lächeln begleitet.
Also erwartete er mich doch , folgerte ich schnell. Aber wieso riss er mich nicht in seine Arme so wie früher, wenn er doch wusste, weshalb ich hier war?
„Du hättest mir doch auch aufmachen können“, entgegnet ich Istvan.
„Ich wollte es dir überlassen. Schließlich habe ich heute schon genug Vorstöße gewagt. Findest du nicht?“, fragte er grinsend und lungerte in der Tür. Es sollte lässig wirken, tat es aber irgendwie gar nicht. Er konnte mich nicht täuschen. Er war nervös!
„Ich wäre nicht hier, wenn ich deine Vorstöße nicht
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