Wolfsfieber - Band 2
mir auf, die zusammen mit ihrem Bruder und Vater für ein paar Monate hergezogen war, weil Valentin angeblich an einem Fachbuch über die hiesige Flora und Fauna schrieb. Das würde auch erklären, wieso er öfters die Bibliothek aufsuchen musste und daher natürlich auch Istvan kannte.
Istvan selbst entschloss sich dazu, zu Hause zu bleiben, um keinen unnötigen Verdacht heraufzubeschwören. Ich fand sein Verhalten maßlos übertrieben, doch Valentin bestärkte ihn darin und gegen beide hatte ich mit meinen Argumenten so gut wie keine Chance.
Nicht begeistert darüber versuchte ich dennoch, verständnisvoll zu reagieren.
Am Tag des Maitanzes holte ich Serafina, Woltan und Miriam ab, da sie kein eigenes Auto besaßen. Sie brauchten es ja nicht notwendigerweise. Miriam blieb mir gegenüber immer höflich, aber reserviert. Unsere auffällige Gemeinsamkeit war für sie nicht Grund genug, sich mit mir anzufreunden oder sich mir gar anzuvertrauen. Vielleicht hielt sie mich auch einfach nur für verrückt, weil ich trotz allem, was ihr Woltan über Istvan und mich erzählt hatte, weiterhin mit ihm zusammen sein wollte. Genau wusste ich es nicht.
Am Ende saßen wir alle gemeinsam in Ausgehkleidung in meinem Sportcoupé. Serafina überstrahlte uns alle, wie nicht anders zu erwarten war. Ihre langen Haare fielen ihr glatt und seidig über die nackten Schultern. Sie trug ein gelbes Bustierkleid aus Seide. Miriam hatte sich für ein schlichtes, weißes Sommerkleid entschieden. Ihre rotbraunen Locken hatte sie kunstvoll hochgesteckt, so wie ich es nie fertiggebracht hatte.
Ich selbst hatte mich, nachdem klar war, dass Istvan nicht dabei sein würde, gegen das rote Satinkleid entschieden, das ich nie zu tragen wagte. Das hellblaue, lange Kleid, das ich schon öfter zu solchen Anlässen angehabt hatte, war mir fein genug für die Rohnitzer Frühlingsveranstaltung. Was meine Haare betraf, begnügte ich mich damit, die Seitenpartien am Hinterkopf zu einem lockeren Knoten zu binden. Für mich war das schon eine Leistung.
Der Maitanz war deshalb so eine große Sache, da man dafür jedes Jahr eigens einen Tanzboden aus Holz aufbaute, den die Blumenhändlerinnen mit üppigen Blumen- und Blattgirlanden verzierten. Ein Baldachin aus Frühlingsgewächsen schützte den Tanzboden vor dem Wind.
Als wir endlich dort ankamen, waren die meisten Besucher bereits angekommen. Der große Gastgarten des Hotels wirkte einladend und der Duft der vielen verschiedenen Speisen stieg einem sofort in die Nase. Es gab ein eigenes Buffet mit sehr vielen Obsttorten und Kuchen, über die ich mich gleich hermachte. Schon der erste Bissen der Pfirsichtorte erinnerte mich an Istvans Geburtstagstorte und ich schluckte meine Enttäuschung darüber, dass er mich heute Abend nicht begleiten konnte, hinunter. Während die Valentins zögerlich versuchten, sich eine wenig unters Volk zu mischen, machte ich ein paar Schnappschüsse für mein Lokalblatt. Danach sprang ich sofort in die Bresche und begann meine rumänischen Freunde vorzustellen. Pfarrer Martin, mein alter Freund aus Kindertagen, zeigte sich am interessiertesten. Nicht einmal der keusche Martin war gegen Serafinas Charme immun. Als ich dann bemerkte, dass er begann, Serafina über unsere gemeinsame Studienzeit auszufragen, forderte ich ihn überstürzt zum Tanz auf. Mein holpriges Ablenkungsmanöver funktionierte. Beim Tanzen vergaß Martin seinen ursprünglichen Anflug von Neugier und begann mir stattdessen leise Vorwürfe zu machen, da ich mich zu Ostern nicht hatte blicken lassen. Ich gelobte ihm Besserung und wir tanzten zwei schnelle Nummern lang, ehe ihm die Puste ausging.
Während die Valentins zusammen mit Miriam das Essen kosteten, musste ich einen weiteren Pflichttanz mit dem Bürgermeister hinter mich bringen. Roman Herbst, der noch junge Bürgermeister von Rohnitz, wartete auf einen langsamen Walzer, weil er, wie er mir jedes Jahr immer aufs Neue gestand, nicht gut tanzen konnte. In der Zwischenzeit erzählte er mir von seinen neuesten Projekten. Der große, schlanke Mann hielt sich dann doch ganz wacker. Nichtsdestoweniger konnte er auch beim Walzer nicht verbergen, dass er fürs Tanzen eigentlich zu schlaksig war. Als der Walzer endlich zu Ende ging und meine Zehen wieder in Sicherheit waren, fühlten wir uns beide sichtlich erlöst. Erleichtert lachte er mich an. Die kleinen Falten um seine Augen gruben sich tiefer, als er dann sah, dass hinter mir schon eine ganze Schlange weiterer
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