Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
Vom Netzwerk:
Plötzlich bemerkte ich
    den Stand der Zeiger auf der Uhr, die auf dem Schreibtisch
    gegenüber stand. Es war vier Uhr nachmittags und ich muss-
    364

    te noch ein paar Bilder des St. Hodaser Fischteiches machen
    für die Fotoserie der idyllischen Teiche im Bezirk. Ich hatte
    es seit Tagen aufgeschoben und bis zur letzten Minute ge-
    wartet und ausgerechnet jetzt fiel mir ein, dass ich nur noch
    ein paar Stunden Licht hatte, um die Bilder zu schießen. Ich
    riss mich widerwillig aus seiner Umklammerung und erklärte
    Istvan, was ich noch zu erledigen hatte. Er schien mindes-
    tens so enttäuscht darüber wie ich, verstand aber mein Di-
    lemma. Ich hatte bereits versprochen, die Bilder bis morgen
    früh zu schicken. Aber unsere wiederentdeckte Leidenschaft
    bewirkte, dass Istvan mich nicht allein gehen lassen wollte.
    „Der Teich liegt doch außerhalb, hinter einem Ulmen-
    hain. Dort sieht uns bestimmt niemand. Und ich könnte im
    Wagen warten, bis du die Fotos geschossen hast“, schlug er
    vor und bemerkte zuerst gar nicht, dass es gar nicht nötig
    war, mich zu überzeugen. Denn ich wollte genauso wenig
    von ihm weg wie er von mir. Ich wollte nur schnell diese
    Fotos machen und dann zurück zu ihm und dort weiterma-
    chen, wo wir gerade unterbrochen hatten.
    „Einverstanden. Aber du solltest wirklich im Wagen
    bleiben. Mit seiner neuen Lackierung sieht er wenigstens
    nicht mehr verdächtig aus, obwohl er noch immer auffällt
    wie ein bunter Hund“, sagte ich ihm und begann, mir dabei
    die Jeans anzuziehen. Er streifte sich sein Hemd über und
    wir fuhren gemeinsam bei mir vorbei, damit ich noch die
    Kamera aus meinem Zimmer holen konnte. Ich schnappte
    mir die schwarze Kameratasche, die vorbereitet neben mei-
    nem Schreibtisch stand, und hetzte die Treppen hinunter,
    bis ich wieder bei Istvan im Wagen war. Wie sehr ich diese
    getönten Scheiben liebte. So konnten wir gemeinsam zum
    anderen Ende des Dorfes fahren, wo der Gemeindeteich
    angelegt worden war. Früher war an dieser Stelle nur ein
    schlammiger Löschteich gewesen, wie Istvan mir erklärte.
    Aber schon vor meiner Geburt wurde der Tümpel gesäu-
    bert und neu angelegt. Die Gemeinde pflanzte Weiden und
    Akazien um den runden, kleinen Teich. Wir parkten gleich
    365

    neben der geschotterten Zufahrtsstraße. Wir, und auch der
    Wagen, wurden von den vier oder fünf Meter hohen Ulmen
    vollkommen verdeckt. Das Licht war nicht mehr optimal,
    aber es würden dennoch sehr malerische Fotos werden. Das
    lag an der bescheidenen Zierde dieses Kleinodes. Der der-
    zeitige Pächter gab sich viel Mühe, das Beste aus seiner An-
    lage herauszuholen. Er hielt das Schilf unter Kontrolle, hatte
    uns gegenüber eine kleine Blockhütte mit grünen Schindeln
    errichtet, wo die Angelutensilien aufbewahrt wurden, und
    zusätzlich versuchte er, mit riesigen Natursteinen eine Art
    Dekorationseffekt zu erzeugen. Sein Vorgänger ließ einen
    kleinen Holzsteg anbauen, der zu einer winzigen Insel in
    der Mitte führte, in deren Zentrum eine riesige Trauerweide
    wuchs, die einem Angler im Sommer wunderbaren Schatten
    spendete.
    Ich hatte meine Wagentür bereits geöffnet und stellte die
    Kameratasche auf die Fußmatte unter mir. Istvan sah mir
    dabei zu, wie ich die Spiegelreflexkamera zusammenstellte.
    Als ich fertig war, gab ich sie ihm kurz, damit ich mir meinen
    Parka anziehen konnte. Obwohl er die schwere Kamera in
    der einen Hand hielt, gelang es ihm dennoch, meine Haare
    zu halten, damit sie mir nicht im Weg waren, als ich den
    Parka überstreifte. Er gab mir die Kamera zurück und setzte
    sich auf meinen Platz, als ich ausstieg. Die Wagentür ließ
    ich offen. Ich machte ein paar Schritte auf den Teich zu und
    begann, einige Testfotos zu machen. Der bewölkte Himmel
    verlieh dem Teich eine etwas düstere Stimmung, wie ich auf
    dem LCD-Bildschirm feststellen konnte. Ich versuchte, die
    Kameraeinstellungen daraufhin anzupassen. Die nächsten
    Bilder waren zwar ebenso atmosphärisch und zeigten deut-
    lich, dass es noch keine Frühlingsbilder waren, doch sie ho-
    ben die einladende Schönheit des Teichs besser hervor. Der
    Teich war eines der wenigen Wasserlöcher, die mir keine
    Angst machten, da ich genau wusste, dass das Wasser zu
    seicht war, um darin ertrinken zu können. Deshalb wagte ich
    mich auch auf den Steg. Ich machte ein paar Nahaufnah-
    366

    men von der Trauerweiden-Insel, von der ich wusste, dass
    kein anderer Teich im Bezirk so etwas zu bieten hatte.
    Als ich

Weitere Kostenlose Bücher