Wolfsflüstern (German Edition)
Stiefelabdrücken etwa hundert Meter weit gefolgt, als Jase plötzlich stehen blieb und fluchte: »Scheiße.« Das schien ebenfalls um sich zu greifen. Er drehte hektisch den Kopf, blickte wie wild nach links, nach rechts, nach hinten.
»Hast du etwas verloren?«
»Die andere Leiche.«
Gina blinzelte, öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu, legte den Kopf schräg, bevor sie murmelte: »Bist du sicher?«
»Könntest du aufhören, mich das zu fragen?«
Jase drehte sich langsam um die eigene Achse, dabei inspizierte er konzentriert den Boden. »Er lag genau hier.« Er deutete auf eine Stelle direkt vor ihnen, und damit auf die Stelle, zu der die Stiefelabdrücke zu führen schienen.
Keiner von ihnen sprach, während sie der Spur weiter folgten, die bei einem großen, dunklen Kreis auf der Erde endete. Selbst im nachlassenden Licht des Mondes erkannte Gina Blut, wenn sie welches sah.
»Bist du sicher, dass Mel tot war?«
Jase machte sich noch nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten. Die Menge an Blut sprach für sich.
»Wer immer Ashleigh mitgenommen hat, muss hierhergekommen sein, um sich auch Mel zu schnappen«, folgerte Jase.
»Ich würde dir zustimmen, wäre da nicht eine Sache.«
»Welche?«
Gina deutete auf die andere Seite des großen, dunklen Flecks. »Dort drüben gibt es zwei Paar Spuren.«
Als plötzlich ein Heulen ertönte, dicht gefolgt von einem zweiten, rissen sie die Köpfe hoch. Was sie sahen, veranlasste Jase, auch seine Waffe hochzureißen.
Das erste Licht der Dämmerung erhellte gerade den Horizont, vor dem sich die Silhouetten zweier Wölfe abzeichneten, die mit erhobenen Schnauzen dem schwindenden Mond ein Ständchen brachten.
»Siehst du das?«, raunte Jase.
»Hm-m.« Gina blinzelte zur Bekräftigung ein paar Mal, aber die Wölfe verschwanden nicht.
»Das erklärt einige Dinge.«
»Tut es das?« Ihrer Ansicht nach warfen die Wölfe nur weitere Fragen auf.
» Sie haben Ashleigh und Mel die Kehlen rausgerissen.«
»Wölfe tun so etwas nicht«, widersprach sie.
»Ich wette, diese hier schon.«
Gina antwortete nicht, weil sie ebenfalls darauf wetten würde.
Sie hatten zwei tote Menschen, denen von einem Tier die Kehlen rausgerissen worden waren – was hier noch nie vorgekommen war. Anschließend sahen sie zwei Tiere einer Gattung, die in dieser Gegend ebenfalls noch nie aufgetaucht war.
Man musste nur eins und eins zusammenzählen. Außerdem war es eine weitaus vernünftigere Begründung als ein entflohener Zauberer. Trotzdem …
»Die Wölfe erklären weder das Wusch noch die Dunkelheit, die verschwundenen Leichen oder die menschlichen Fußspuren.«
Den Blick noch immer auf den Horizont gerichtet, nickte Jase. »Wir müssen zur Ranch zurückkehren.«
Der Rückweg nach Nahua Springs entpuppte sich gleichzeitig als leichter und als schwieriger denn erwartet.
Leichter, weil Melda und Amberleigh, auch wenn sie komplett neben sich standen, weder lobotomiert noch taub waren. Kaum dass die beiden hörten, dass es zurück zur Ranch ging, sprangen sie auf ihre Pferde und preschten davon. Der einzig schwierige Teil bestand darin, mit ihnen mitzuhalten.
Und dass Teo sich weigerte mitzukommen.
»Du kannst nicht hierbleiben«, beharrte Gina.
»Ich darf die Kaverne nicht offen und unbewacht lassen, damit jeder darin herumschleichen kann.«
»Wir hatten dieses Gespräch bereits. Niemand kommt hierher.«
»Irgendjemand ist aber hierhergekommen, und er hat die verdammte Mumie geklaut.«
Gina biss sich auf die Lippe. Da war sie sich nicht so sicher.
Sie schaute zu den Wölfen, die noch immer vor dem Horizont hockten und sie so reglos beobachteten wie Statuen, die ein ägyptisches Grab bewachten.
Sie und Teo mussten herausfinden, was zur Hölle hier vor sich ging. Wie sie das anstellen sollten, wusste Gina allerdings nicht. Jedenfalls würden sie es nicht hier draußen tun, wo irgendein Monster sein Unwesen trieb.
»Ich kann anfangen, die Hieroglyphen zu übersetzen«, wandte Teo ein. »Wenn du einfach nur meinen Assistenten anrufen könntest und …«
»Nein.« Er blinzelte; seine Augen blickten verdutzt drein hinter der Brille, die er zusammen mit dem Zelt, ihrem Bettzeug und den Pferden geholt hatte. »Nein?«
»Das ist das Gegenteil von Ja.« Gina warf den Sattel auf Lady Belles Rücken.
»Aber … warum?«
»Das ist eher deine Abteilung als meine.«
Seine Verwirrung nahm weiter zu.
»Ich habe keinen Schimmer, weshalb Ja das Gegenteil von Nein ist. Ist das nicht die
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