Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
konfisziert.“
„Konfisziert? Darfst du so was?“
„Klar.“ Ich war mir da alles andere als sicher, aber das musste er ebenfalls nicht wissen. „Gehört sie dir?“
„Nein.“
„Sondern?“
„Als ich eingezogen bin, hab ich ganz bestimmt nicht hinter den Spülkasten geschaut. Keine Ahnung, wer vor mir hier gewohnt hat.“
Sagte er die Wahrheit? Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ja.
Falls die Waffe ihm gehörte, war er ein sehr guter Schauspieler. Falls die Waffe ihm gehörte, was könnte er dann mit einer einzelnen Silberkugel vorgehabt haben?
Die wichtigste Frage lautete nun: Wessen Waffe war das?
Noch ein Auftrag für Jessie McQuade.
„Ich muss jetzt los“, sagte ich.
Er war noch immer so nah, dass die Härchen auf meinem Arm kribbelten.
Er hatte mich seit dem unglückseligen Streicheln meines Rückens nicht mehr angefasst. Da ich wollte, dass er es tat, steuerte ich jetzt auf die Tür zu.
„Warte.“
Mit der Hand an der Klinke blieb ich stehen. Er kam zu mir und legte eine Hand auf meine Schulter. Ich verkrampfte mich, aber er ließ nicht los. Als ich nach seiner Berührung gehungert hatte, hatte ich nicht da gemeint.
Weil ich mich danach sehnte und mich dafür hasste, ihn dafür hasste, schwang ich die Peitsche. „Das Ganze war eine idiotische Idee.“
„Ich weiß.“
Seine ruhige Zustimmung war, als würde er Eiswasser auf meinen Zorn kippen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Der Sex hatte mich für eine kurze Weile die Tatsachen meines Lebens vergessen lassen. Aber seit die Ekstase abgeklungen war, konnte ich wieder klar sehen.
Ich belog ihn. Er hatte keine Ahnung, wer ich war. Was ich tat. Wie gefährlich es war, mich zu kennen. Sollte er in der Nähe sein, wenn es hart auf hart ging e – und dazu würde es kommen; es war bloß eine Frage der Zei t – , würde er zu Schaden kommen. Er könnte sogar sterben.
Ich riss die Tür auf. Auf der Schwelle blieb ich stehen. Die Autos waren immer noch da.
„Fährt von denen eigentlich irgendwer mal nach Hause?“, fragte ich.
„Viele gehen zu Fuß.“
Ich drehte den Kopf. Damien stand hinter mi r – splitterfasernackt und erigiert. Ich wollte ihn noch mal. So viel zu meiner Selbstbeherrschung. Was ich für Damien empfand, erinnerte mich viel zu sehr an das, was ich einmal für Hector empfunden hatte, und das machte mir Angst.
Ich zwang meinen Blick zurück zu den Autos. „Sie laufen in der Dunkelheit nach Hause?“
„Besser, als zu fahren, wenn man schon seit dem Nachmittag getrunken hat.“
„Abe r – “
„Die meisten von ihnen leben in der Stadt. Nach Krähenart gelangen sie schneller nach Hause.“
Was hatten sie hier nur immer mit den Krähen?
„Ich weiß nicht, was du damit meinst.“
„Eine Krähe fliegt direkt von einem Ort zum anderen. Sie folgen keinen Straßen. Wenn man nach Art der Krähen heimgeh t … “ Sein Arm schoss an meinem Gesicht vorbei, der Zeigefinger auf die Bäume gerichtet.
„Du willst behaupten, dass deine Gäste nachts durch den Wald laufen?“
„Warum denn nicht?“
MirfielenmehrereGründegleichzeitigein.Allewarenpelzig.
„Ist in letzter Zeit mal irgendjemand verschwunden?“
„Inwiefern verschwunden?“
„So, dass er an einem Tag noch da war, am nächsten dann nicht mehr.“
„Natürlich.“
„Und du wunderst dich gar nicht darüber?“
„Die Leute kommen und gehen. Sie ziehen weiter. Wechseln die Kneipe. Ich bin nicht ihr Aufseher. Warum fragst du überhaupt?“
„Aus keinem speziellen Grund.“
„Du glaubst, sie wurden von Wölfen getötet?“
Ich zuckte die Achseln. Er kam der Wahrheit ein bisschen zu nahe.
„Wölfe sind nicht aggressiv“, sagte er.
„Wenn sie Tollwut haben, schon.“
Das zumindest entsprach der Wahrheit. Sämtliche Berichte über Wolfsangriffe gingen auf tollwütige Tiere zurüc k – zumindest ließen wir die Durchschnittsbürger das glauben. Falls herauskäme, dass überall in der Gegend Werwölfe lebten, wären die Folgen ziemlich unschön.
„Was erzählst du mir nicht?“, fragte er. „Hat es in Crow Valley Attacken tollwütiger Wölfe gegeben? Bist du deshalb hier?“
„Ja.“
Was war schon eine weitere Lüge unter so vielen anderen? Ich musste ihn um jeden Preis davon abbringen, noch mehr Fragen zu stellen.
„Aber wir wollen nicht, dass das bekannt wird“, ergänzte ich hastig. „Sonst gibt es eine Panik. Und dann haben wir in den Wäldern bewaffnete Idioten, die wahllos Tiere und sich gegenseitig
Weitere Kostenlose Bücher